Syrien: Der blutigste Tag

Syrien: Der blutigste Tag
Die Kämpfe eskalieren. Präsident Bashar al-Assad muss Rücktrittsgerüchte dementieren. Die UNO bleibt Zaungast.

Ausgerechnet Russland, sein treuester Verbündeter, heizte am Freitag Spekulationen über einen Rückzug von Bashar al-Assad an: "Er akzeptiert seinen Rücktritt, aber in einer zivilisierten Art", erklärte der russische Botschafter in Paris, Alexander Orlow, in R­adio France International.

Der Diplomat bezog sich auf ein Krisentreffen der USA, Russlands, Chinas, Frankreichs und Großbritanniens sowie der Türkei und mehrerer Staaten der Arabischen Liga Ende Juni in Genf. Dort hatte man sich auf eine Übergangsregierung für Damaskus und den Übergang zu einem demokratischen System verständigt. Assad habe das Abschlusskommuniqué von Genf akzeptiert und einen Unterhändler für Gespräche mit der Opposition nominiert, argumentierte Orlow.

Wütendes Dementi

Syriens I­nformationsministerium wies Rückzugspläne Assads wütend zurück. Und auch das Außenamt in Moskau ruderte zurück: Orlows Äußerung sei aus dem Zusammenhang gerissen worden.

In mehreren Stadtteilen von Damaskus hielten auch am Freitag – dem ersten Tag des Ramadan – die heftigen Straßenkämpfe an. Nach Angaben der Opposition feuerten Kampfhubschrauber Raketen auf den Bezirk Midan ab. Auch schwere Panzer kamen zum Einsatz. Das staatliche Fernsehen meldete später, Midan sei von "Terroristen gesäubert" worden, die Aufständischen sprachen von einem "taktischen Rückzug".

Gekämpft wurde auch an den drei Grenzübergängen zur Türkei und zum Irak, die die Freie Syrische Armee unter ihre Kontrolle gebracht hatte. Der Irak verstärkte als Reaktion seine Grenztruppen und sperrte angeblich den Übergang auch. Vor allem Männer im Kampfalter wurden nicht mehr durchgelassen, der Irak fürchtete ein Übergreifen der Krise. Da die syrische Regierung ihre abnehmenden Kräfte zunehmend auf strategisch wichtige Schauplätze konzentrieren muss, erzielen die Regimegegner in anderen Landesteilen Fortschritte.

Syrische Deserteure haben unterdessen die bewaffnete Opposition aufgerufen, ausländische Kämpfer auf Seiten des Regimes zu töten. Soldaten der syrischen Armee hätten noch bis Ende Juli die Chance, sich der Revolution anzuschließen.

Die Kämpfe fordern einen hohen Blutzoll. Allein am Donnerstag sollen 310 Menschen in Syrien ums Leben gekommen sein – der blutigste Tag seit Beginn des Aufstands. Nach Schätzungen des Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind binnen 48 Stunden 30.000 Syrer in den benachbarten Libanon geflohen. In Syrien selbst sollen mehr als eine Million Binnenflüchtlinge unterwegs sein. Aus der Türkei wurde die Flucht weiterer hoher Offiziere gemeldet, 22 syrische Generäle sind schon übergelaufen. Geheimdienstchef Hisham Bekhtyar soll seinen Verletzungen erlegen sein, die er am Mittwoch beim Bombenanschlag in Damaskus erlitten hatte.

UN-Mission wird verlängert

In New York beschloss der UN-Sicherheitsrat einstimmig eine Verlängerung der 300-Mann-Beobachtermission in Syrien für 30 Tage. Wenn sich das Regime mit seinen schweren Waffen nicht aus den Wohngebieten zurückzieht, wird die Mission danach abgezogen. Erst am Donnerstag war eine Resolution gescheitert, worüber sich Generalsekretär Ban Ki-moon „schwer enttäuscht“ gezeigt hat.

Die Assad-Gegner schenkten den Verhandlungen in New York kaum noch Beachtung: „Die Zukunft Syriens wird bei den Kämpfen um Damaskus entschieden“, erklärte ein Mitglied des Syrischen Nationalrats.

Golan: "Blauhelme waren nie gefährdet"

Von den Golan-Höhen aus liegt Damaskus bei schönem Wetter in Sichtweite. Derzeit ist es diesig. Aber der Krieg um die syrische Hauptstadt ist auch hier in der von der UNO kontrollierten Zone angekommen. Am Donnerstag hatte es auf dem von 1047 UNO-Soldaten (376 davon sind Österreicher) kontrollierten Gebiet schwere Kämpfe zwischen rund 200 Soldaten und 200 Rebellen gegeben, bei denen auch Mörser und Granatwerfer zum Einsatz kamen. Am Freitag war die Lage laut Angaben des österreichischen Hauptmannes Rüdiger von Gimborn "ruhiger". Geschossen wurde trotzdem. Gimborn unterstreicht jedoch, dass die UNO nie direkt beschossen wurde. Es habe absolut nie eine Gefährdung für die Blauhelme bestanden. Die Soldaten seien daher auch am Donnerstag nicht in die geschützten Räume zurückgezogen worden. Man versuche so weit und so lange es nur gehe, die Lage in der Region zu beobachten.

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