Südkorea in der Sinnkrise
Die Amtsenthebung der südkoreanischen Präsidentin Park durch das Verfassungsgericht in Seoul führte am Freitag zu Tumulten vor dem Gerichtsgebäude. Vor allem ältere Anhänger der Politikerin wollten das Urteil nicht akzeptieren. Bei den Protesten kamen zumindest zwei Menschen ums Leben.
Die Richter sahen es als erwiesen an, dass Park Geun Hye es zugelassen hatte, dass sich ihre Freundin Choi Soon Sil in die Regierungsgeschäfte einmischte, obwohl Choi nie ein öffentliches Amt inne hatte. Choi ist die Tochter eines früheren Sektenführers und Förderers der Familie Park. Außerdem wird Choi vorgeworfen, dank ihrer Beziehung zur Präsidentin zahlreiche Unternehmen genötigt zu haben, ihre Stiftungen und Organisationen zu sponsern und sich damit persönlich bereichert zu haben.
Bis spätestens 9. Mai muss ein neuer Präsident gewählt werden. Nach mehr als neun Jahren konservativer Regierung steht ein Machtwechsel bevor, denn in den Umfragen liegt der linksliberale Oppositionspolitiker Moon Jae In vorne.
Die viertgrößte Volkswirtschaft Asiens steckt in einer wirtschaftlichen Krise. Schlimmer jedoch ist die Sinnkrise, die sich in dem auf Hochleistungen gedrillten Volk breit macht. Vor allem die Mittelschicht kämpft um ihren hart erarbeiteten Wohlstand.
Die reichen Sippen
Die erfolgreiche Industrie des Landes wird immer noch von ein paar mächtigen Familien kontrolliert, den so genannten Chaebols, die bereits von Parks Vater mit staatlichem Geld in einem abgeschotteten Heimmarkt stark gefördert worden sind.
Diktator Park Chung Hee, der sich 1961 an die Macht gepusht hatte, legte beispielsweise dem Bauunternehmer Chung Ju Yung Mitte der 1960er Jahre nahe, im bitterarmen Südosten des Landes mit staatlicher Unterstützung eine Autofabrik zu bauen, daraus entstand Hyundai. Chung war ein Bauernsohn aus Nordkorea, der seinem Vater Geld gestohlen hatte, um nach Südkorea fliehen zu können. Ju Yung sagte vor seinem Tod, er habe sein ganzes Leben darunter gelitten, dass er seinem Vater das Geld nicht mehr zurückgeben konnte.
Anders ist die Geschichte der Samsung-Familie Lee. Als Sohn einer wohlhabenden Familie gründete Lee Byung Chull 1938 die Samsung Trading Company, der jetzige Firmenchef Lee Jae Yong ist in die Korruptionsaffäre um Park verwickelt. Sonderermittler werfen dem 48-Jährigen zudem Veruntreuung, das Parken von Vermögen im Ausland und Meineid vor.
Arroganz der Macht
Zur Symbolfigur für die Arroganz der Macht der Chaebols wurde Cho Hyun Ah, deren Familie die Hanjin-Gruppe kontrolliert. Hyun Ah ließ kurz vor dem Start einen Flugbegleiter aus einer Korean-Air-Maschine werfen, weil er ihr Nüsse in einem Sackerl und nicht in einer Schale angeboten hatte. Im Ausland wurde die Nuss-Affäre belächelt, in Südkorea wurde die 42-Jährige wegen Gefährdung der Flugsicherheit zu einem Jahr Haft verurteilt.
Wie verhasst diese Familien sind, zeigte sich auch, als Töchter und Enkelinnen der Familiendynastien vor ein paar Jahren begannen, Bäckereien und Läden für Cupcakes aufzumachen. Ein Sturm der Entrüstung brach los, die Läden seien ein Hobby für reiche Mädchen, das die Existenzgrundlage anderer Familien bedrohe. Die Damen schlossen daraufhin ihre Geschäfte.
Das Ende der Park-Dynastie wird von jüngeren Südkoreanern als Chance für mehr Gerechtigkeit gesehen. Denn wer heute Arbeit findet, verdient oft weniger als die Eltern in ähnlicher Funktion.
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