Südafrika: "Apartheid heute ist gegen Weiße"
Dass ihm nach 51 Jahren in Südafrika gelegentlich ein deutsches Wort nicht einfällt, das ist Manfred Werschlein ehrlich unangenehm. Schließlich wollte der 70-Jährige seine Muttersprache behalten, wie er auch seinen österreichischen Pass behalten hat.
In die alte Heimat fährt er trotzdem nur auf Besuch, ganz anders als drei seiner vier Kinder. Die sind nach Europa zurückgekehrt, so wie es derzeit sehr viele weiße Südafrikaner tun. „Die Auswanderung hat sich in letzter Zeit wieder verstärkt“, erzählt Werschlein im dem KURIER, „weil es gerade für arme Weiße keine Chance auf Jobs gibt.“
Jobs für Günstlinge
In Südafrikas großen Unternehmen dominiert der politische Einfluss der Regierungspartei ANC, und die lasse freie Posten ständig mit politischen Günstlingen besetzen, „da ist es egal, ob Qualifikation, oder Berufserfahrung passen“. Im heutigen Südafrika, formuliert es Werschlein drastisch, gebe es „Apartheid in die Gegenrichtung. Sie geht gegen Weiße.“
Die weißen Eliten, die das Land schon während des Apartheid-Regimes vor 1994 regiert haben, kümmert das allerdings wenig. Ihr Leben hat sich von jenem der großen, armen Mehrheit nur noch weiter entfernt. Der Österreicher hat in den vergangenen Jahren erleben müssen, „wie die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgeht“.
Versprechen gebrochen
In den 25 Jahren seit dem politischen Umbruch in Südafrika ist neben der weißen eine neue schwarze Elite entstanden. Die große Mehrheit aber hat weiterhin keine Hoffnung auf sozialen Aufstieg, lebt von bescheidener staatlicher Unterstützung. Wenigstens eine soziale Errungenschaft, die die Regierung des ANC für sich verbuchen kann. Die meisten großen Versprechen, die abgegeben wurden, als Nelson Mandela die Regenbogennation Südafrika ausrief, seien gebrochen worden, zeigt sich der Exilösterreicher resigniert
. Auch die heutigen Parlamentswahlen würden da voraussichtlich wenig ändern: „Es wird einfach so weitergehen. Ich kann mich noch gut erinnern, welcher Optimismus uns alle erfasst hat, als Mandela Präsident wurde. Heute bin ich Realist und sehe die wachsenden Probleme überall im Land.“
Infrastruktur kaputt
Durch die Auswanderung der Weißen gäbe es einen wachsenden Mangel an Fachkräften, auch weil aus Europa oder anderen westlichen Staaten niemand mehr nach Südafrika komme. Die Folgen seien vor allem bei der Infrastruktur zu spüren. Straßen oder das Stromnetz seien in vielen Regionen in bedenklichem Zustand.
Das schlimmste Problem aber, da lässt Werschlein keinen Zweifel, sei die grassierende Korruption: „Die reicht von ganz oben, also von der Regierungsspitze, bis ganz unten, und das Ausmaß ist unglaublich.“ Als Leiter eines Architekturbüros macht der Österreicher um öffentliche Aufträge inzwischen einen weiten Bogen: „Die erste Frage des Beamten lautet dann nämlich immer: Wie viel ist für mich persönlich drinnen.“
Die Regierung unter dem letzten Präsidenten Jacob Zuma hat sich die Taschen mit Hunderten Millionen an öffentlichen Geldern gefüllt. Bei Werschlein wächst die Sorge, dass Südafrika so zuletzt den Weg von Nachbarländern wie Simbabwe geht – also in den wirtschaftlichen und sozialen Kollaps: „Dieses Land hat auch heute riesiges Potenzial, aber die Korruption frisst es auf.“
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