Energiepreis-Explosion in Großbritannien: Wut und Widerstand wachsen
Proteste gegen die Inflation in London
Der Premierminister ließ sich Zeit. Erst am Freitag meldete sich Boris Johnson zur Energiekrise zu Wort, nachdem er die ganze Woche über von der Bildfläche verschwunden gewesen war. Es werde im Laufe des Herbsts weitere Hilfszahlungen für Bedürftige geben, versprach der Regierungschef, ohne ins Detail zu gehen. Viel mehr wird es von Johnson wohl auch nicht mehr zu hören geben, schließlich ist er nur noch eine Woche im Amt.
Auch Minister verschollen
Doch auch Johnsons gesamte Ministerriege wich allen öffentlichen Auftritten und Medienterminen weitgehend aus. „Wäre nett, wenn sie vorbeischauen würden und ein bisschen was erklären“, meinte ein sichtlich genervter Nachrichtenmoderator des Senders ITV.
4.000 Euro pro Jahr
Der Ärger scheint verständlich, schließlich steht Großbritannien im Bann einer Energiekrise – und in Folge einer von Experten bereits fix angekündigten Rezession. Auf beinahe das Doppelte hat die staatliche Regulierungsbehörde für Strom- und Gaspreise die amtliche Obergrenze für Preise ab Oktober angehoben. In Großbritannien gibt es so ein Limit seit dem Jahr 2019. Konkret heißt das, dass Haushalte von da an bis zu 4.000 Euro pro Jahr für ihre Energierechnung bezahlen. Das aber nur, wenn der prognostizierte Durchschnittsverbrauch nicht deutlich überschritten wird. Dann könnte die Rechnung weit höher ausfallen. Höher wird sie ohnehin ab Jänner, das hat die Behörde bereits deutlich gemacht. 2023 werde es noch „deutlich schlimmer“, so die dürre amtliche Warnung.
Doch schon die jetzige Preissteigerung wird nach Ansicht von Experten viele Briten in den finanziellen Ruin treiben. Neun Millionen Haushalte, so eine Untersuchung der Universität von York, werden ihre Energierechnungen nur mit Hilfe von Krediten begleichen können. Im Laufe des Winters soll diese Zahl weiter ansteigen. Besonders dramatisch ist die Lage bei den Pensionisten, mehr als 80 Prozent könnten an „energiebedingter Armut“ leiden.
„Zahl nicht“
Schon formieren sich erste Protestbewegungen. So haben sich bereits 100.000 Menschen mit ihrer Unterschrift der Bewegung „Don’t pay, UK“ angeschlossen. Bis Oktober will man eine Million Unterstützer sammeln und dann gemeinsam die ausständigen Stromrechnungen nicht mehr begleichen. Abgeblasen werde die Aktion erst, wenn die Regierung die Hilfszahlungen deutlich erhöhe. Die derzeit zugesagten 350 Euro seien klar zu wenig.
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