Plötzlich Siesta: So erlebte Madrid den großen Blackout

Plötzlich ist das Licht aus. In der Wohnung gibt es keinen Strom mehr, im Haus auch nicht, auf der Straße auch nicht. Aber irgendwas ist anders als bei einem normalen Stromausfall. Die Handys funktionieren nicht.
Die Nachricht verbreitet sich mit der Bewegung der Leute. In den Straßen sammeln sich Menschen, ungläubig schauen sie auf ihre Smartphones und die leeren Empfangsbalken. Die Ampeln sind genauso nutzlos wie die Metro, die still steht. Straßenkreuzungen werden zu Verkehrsübungsplätzen.

Der flächendeckende Stromausfall ließ überall in Spanien Staus entstehen - die Ampeln funktionierten nicht mehr.
Vor ein paar Jahren war „el gran apagón“ ein Thema in Spanien. Medien hatten von einer Übung des Bundesheers gehört und getitelt: „Österreich bereitet sich auf den großen Blackout vor“. Was damals noch unvorstellbar war, wird am Montag um 12:30 Uhr zum bitteren Ernst.
Vor den Geschäften bilden sich Grüppchen, Informationen tröpfeln ein. Es ist nicht nur Madrid betroffen, sondern das ganze Land. „Die Kanaren auch?“, fragt jemand. „Die sind in einer anderen Zeitzone, bei denen geht das Licht erst in einer Stunde aus“, sagt ein älterer Spanier. Alle Umstehenden lachen laut.
Man hätte die Katastrophenvorbereitung ernst nehmen sollen
Im Norden der Hauptstadt macht man weiter, was man am Morgen angefangen hat. In den Bars wird im Dunklen weitergegessen, in den Läden kauft ein, wer Bargeld bei sich hat. Nach einer halben Stunde sind alle auf dem neuesten Stand: Portugal und Frankreich hat es auch getroffen. Erste Gerüchte gehen um, wobei Einigkeit besteht, dass das ein Cyberangriff ist.

Viele Menschen standen um Kurbelradios versammelt.
In den folgenden Stunden machen die Madrilenen das, was sie auch 2020, während der Pandemie, gemacht haben: Sie gehen einkaufen und trinken. Manchmal gleichzeitig. Vor einem kleinen Kiosk versammeln sich die Nachbarn mit Einkaufsackerl und Bierdosen um ein Auto, dessen Radio auf die höchste Lautstärke gestellt ist. Andere hören vom Balkon oder aus den Fenstern gelehnt zu.
Im Radio ist von Menschen die Rede, die in Zügen und Aufzügen eingesperrt sind, die am Flughafen oder Arbeitsort festsitzen, von Ceuta, der spanischen Exklave in Afrika, die per Funk in Kontakt mit Europa steht und von einer Ikea-Filiale, vor der sich Menschen getroffen haben. „Wir zapfen das W-Lan an, die haben einen guten Generator“, ertönt die lachende Stimme einer jungen Frau.
Immer wieder fällt die Aussage, dass man die Katastrophenvorbereitung der Europäischen Kommission vielleicht doch hätte ernst nehmen sollen. In Portugal sind Batterien ausverkauft - für Radios.
Vor Geschäften halten die Besitzer wache
Während die Politiker immer wieder mahnen, dass die Nummer 112 nur für Notfälle ist und die Leute bitte nicht ins Auto steigen sollen, füllen sich die Straßen um Madrid. Die Tunnel sind gesperrt, der Verkehr wird zunehmend zum Problem. Zeitgleich beginnen die Menschen, im Stadtzentrum Geld abzuheben und mehr einzukaufen. Schnell ist von leergeräumten Geschäften und Bankautomaten die Rede. An den Eingängen der Läden halten die Besitzer wache.

Vor den Geschäften standen die Besitzer häufig Wache, wie hier in Barcelona.
Madrids Regionalpräsidentin Isabel Ayuso fordert, dass die Regierung die Alarmstufe 3 aktiviert, damit das Heer auf die Straße gehen und für Sicherheit sorgen darf. Doch von der Regierung gibt es auch nach fünf Stunden ohne Strom keine Erklärung.
Bis Pedro Sánchez um 18 Uhr spricht, haben sich manche mit Radios ausgerüstet. Eine Menschentraube versammelt sich darum, um die Worte des Premierministers zu hören. Er bittet darum, keine Desinformationen zu verbreiten. Man suche die Ursache und sei in Kontakt mit den europäischen Partnern. Um 20 Uhr, als der Strom nach und nach zurückkehrt, sind noch immer 28 Züge nicht evakuiert.
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