Strategiepapier: Keine EU-Perspektive für Türkei

Kurz will Neuordnung der EU-Beziehungen zur Türkei
Außenminister Kurz will einen Nachbarschaftsvertrag, Erdoğan spricht von EU-Faschismus

Dass Außenminister Sebastian Kurz mehr Distanz als Nähe zu Ankara sucht, ist an sich keine neue Position. Angesichts des bevorstehenden österreichischen EU-Ratsvorsitzes in der ersten Hälfte 2018 aber erhält ein nun der APA vorliegendes Strategiepapier möglicherweise diplomatischen Zündstoff. Darin ist die Rede davon, dass der Türkei nicht mehr eine EU-Mitgliedschaft in Aussicht gestellt werden soll. Stattdessen sollten EU und Türkei durch einen Nachbarschaftsvertrag verbunden sein. Also durch so etwas wie eine "privilegierte Partnerschaft".

"Inakzeptable Provokationen"

Im Gegensatz zu den Staaten am Westbalkan bewege sich die Türkei "seit Jahren weg von der EU", heißt es in dem Papier. Der gescheiterte Putsch habe diese Entwicklung beschleunigt – mit dramatischen Auswirkungen auf Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Zusätzlich erwähnt werden "inakzeptable Provokationen im Zusammenhang mit Wahlkampfauftritten in EU-Mitgliedstaaten". Ein Beitritt dieser Türkei sei folglich undenkbar.

Der Vorschlag des österreichischen Außenministeriums: Ein europäisch-türki-scher Nachbarschaftsvertrag, in dem aber weder eine Beitrittsoption noch die Personenfreizügigkeit in Aussicht gestellt wird. Basis eines solchen Vertrags solle eine modernisierte Zollunion mit der Türkei bilden. Durchaus möglich seien auch Kooperationen in den Bereichen Außen- und Sicherheitspolitik sowie Justiz und Inneres.

Faschismus-Keule

Währenddessen hat sich an der aus Ankara kommenden Tonlage gegenüber der EU nichts geändert. Präsident Recep Tayyip Erdoğan ließ auch am Mittwoch wieder wütende Tiraden gegen die EU los. Diese mobilisiere gegen das geplante Präsidialsystem in der Türkei, über das am 16. April abgestimmt werden soll, so Erdoğan bei einer Rede vor Anhängern. Zugleich erneuerte er seinen Vorwurf vom Vortag an die Niederlande: Diese seien für das Massaker von Srebrenica und damit für den Tod von 8000 bosnischen Muslimen verantwortlich – um mit der Faschismus-Keule nach nachzusetzen: "Der Geist des Faschismus geht um in den Straßen Europas."

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