Starkes Europa gegen Trumps Wirtschaftskrieg
"America first, das bringt Veränderungen in der Handels und Sicherheitspolitik – da braucht es Antworten, nicht Diskussionen, wer Präsident der Europäischen Kommission wird." Oder: "Kein Staat der Welt kann die großen Herausforderungen unserer Zeit allein bewältigen. Das müsste auch der US-Präsident lernen können. Wenn nicht, können wir nur auf ein Ende der vier Amtsjahre hoffen." – Er kann es immer noch, der Gerhard Schröder: mit seiner sonoren Stimme trefflich formulieren.
Oft ist er ja nicht zu hören. Als Vortragender ist der deutsche Ex-Kanzler in der Regel teuer. Seine Interviews sind selten. Und zuletzt ist der 73-Jährige allenfalls mit Empfehlungen für eine Große Koalition in Deutschland in die Schlagzeilen geraten. Oder mit seiner jüngsten Amore, seiner um 25 Jahre jüngeren südkoreanischen Freundin Kim So-yeon. Die bevorstehende Ehe ist Gerhard Schröders fünfte.
Andrang im Parlament
Dementsprechend groß war der Publikumsandrang am Dienstag im Parlament in der Wiener Hofburg. Der Alt-Kanzler hielt auf Einladung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und der Österreichischen Gesellschaft für Außenpolitik und die Vereinten Nationen von Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel einen Vortrag zu "America first – Herausforderungen und Chancen für Europa".
Und nein: Eine Empfehlung, Wladimir Putin zu umarmen, gab der Aufsichtsratsvorsitzende (Nord Stream AG, Rosneft) und Putin-Freund Schröder nicht. Das wäre doch zu plump. Schröder zeichnete das Bild eines US-Präsidenten, der auf die gemeinsamen Werte, die Europa und die USA verbunden hätten, pfeift, und warnte davor – Stichwort Zölle und Ausnahmen –, sich von Donald Trump auseinanderdividieren zu lassen. Auch wenn man immer noch hoffen könne, dass "die globalen Gegebenheiten Trump in internationale Strukturen zurückzwingen". Aber: "Es geht um so etwas wie einen Wirtschaftskrieg", und die Antwort könne nur ein gemeinsames, starkes Europa sein – unter Führung Frankreichs und Deutschlands. "Jetzt ist Zeit für eine gemeinsame europäische Agenda." Weniger Europa auf einigen Ebenen, die näher beim Menschen seien; mehr Europa in der Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik, in der Außen- und Sicherheitspolitik und bei der Sicherung der europäischen Außengrenzen.
Die Grenzsicherung sei wichtig, "wenn wir Freiheit bei uns garantieren wollen. Humanität bemisst sich nicht an der Offenheit der Grenzen, sondern an humanitärer Hilfe, auch vor Ort."
Die EU werde an einem Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten nicht vorbei kommen, sagte Schröder und kam dann doch zu Russland: Russland und die Türkei seien Länder, deren Entscheidungen oft "schwierig sind und niemanden erfreuen können". Aber ohne Zusammenarbeit mit ihnen gebe es auch keine Chance auf Stabilität im Kaukasus, in Nordafrika und in Nahost. Und ohne Wiederannäherung (Schröder sprach auch von denkbaren Assoziierungsabkommen der EU mit Russland in ferner Zukunft) bestehe die Gefahr, dass sich die beiden Staaten nach Osten wenden.
Es brauche im Umgang mit Russland und der Türkei "andere Töne". Das von Österreichs Kanzler Sebastian Kurz gesandte Signal (schrittweise Aufhebung der Sanktionen gegen Moskau bei Fortschritten im Ukraine-Prozess) begrüßte Schröder.
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