30 Jahre nach dem Genozid von Srebrenica – und noch immer wird er geleugnet

Bereits seit Dienstag sind jene 6.000 Menschen unterwegs, die am diesjährigen Friedensmarsch von der bosnischen Ortschaft Nezuk bei Tuzla nach Srebrenica teilnehmen. Am heutigen Donnerstag sollen sie bei der Gedenkstätte im naheliegenden Potočari ankommen.
Sie gehen in die andere Richtung, aber es ist jene Strecke durch Wald und über Bergland, über die vor 30 Jahren Tausende Bosniaken vor den bosnisch-serbischen Truppen zu fliehen versuchten. Viele von ihnen starben trotzdem.
Großes Gedenken am Freitag
Wenn am Freitag die alljährliche Gedenkfeier für die über 8.000 Opfer des Völkermords von Srebrenica stattfindet, werden die Marschteilnehmer dabei sein. Und mit ihnen hochrangige und internationale Gäste. Bestätigt haben ihr Kommen bisher vor allem EU-Vertreter sowie europäische Politiker, auch aus anderen Westbalkan-Staaten. Fehlen dürften auch diesmal wieder Vertreter der Regierung in Belgrad. Serbiens Präsident Aleksandar Vučić sowie der Präsident von Bosnien-Herzegowinas serbischem Landesteil, Milorad Dodik, und viele ihrer Anhänger leugnen bzw. relativieren den Genozid von 1995 bis heute. Die über 8.000 toten Bosniaken seien eine Lüge, heißt es da. Oder Serben seien in gleichem Ausmaß gestorben.
Den Völkermord – Srebrenica wurde u. a. vom Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien sowie vom IGH in Den Haag als solcher anerkannt – zu leugnen ist in ganz Bosnien-Herzegowina eine Straftat. Dafür hatte der Österreicher und ehemalige Hohe Repräsentant für das Land, Valentin Inzko, 2021 mit einer Ergänzung des Strafgesetzes gesorgt. Die Republika Srpska, der serbische Landesteil, hob das wieder auf. Nur einen Tag nach dem Völkermord-Gedenken erinnert die bosnisch-serbische Seite auch in diesem Jahr an die serbischen Opfer im Bosnienkrieg.
Verbrechen auf allen Seiten
Dass bosniakische Truppen während des Kriegs auch bosnische Serben getötet haben, ist belegt. Besonders schlimm war ein Angriff auf das Dorf Kravice am 7. Jänner 1993, dem serbisch-orthodoxen Weihnachtsfest, bei dem 46 Menschen brutal umgebracht wurden. Es sei wichtig, zu erwähnen, so die Politikwissenschafterin Ljiljana Radonić gegenüber der APA, „dass im Jugoslawienkrieg alle drei Seiten (die serbische, die bosniakische und die kroatische, Anm.) Verbrechen begangen haben, wenn auch keineswegs in vergleichbarem Ausmaß mit der serbischen Seite.“
Dass der erinnerungspolitische Konflikt sich in naher Zukunft löst, glaubt Radonić nicht. Stabilität sei eher über wirtschaftlichen Aufschwung oder den – „nicht sehr wahrscheinlichen“ – EU-Beitritt möglich.
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