Wien im Fokus: EU sperrt Russlands Diplomaten aus

Finnish-Russian border closed to Russian tourists
Russische Diplomaten als Spione und verlängerter Arm des Geheimdienstes: Die EU schränkt jetzt deren Einreise drastisch ein - Österreich hat dabei eine besondere Rolle.

Der Vorwurf existiert seit den Tagen des Kalten Krieges, nun aber bekommt er durch Cyberattacken auf europäische Schaltzentralen und die fast täglichen Drohnenattacken auf Flughäfen neue Aktualität: Russlands Diplomaten in Europas Hauptstädten agieren unter dem Schutz ihrer Immunität als Spione und Agenten des russischen Auslandsgeheimdiensts. Seit Jahren werden regelmäßig russische Diplomaten, die unter genau diesem Verdacht stehen, aus EU-Ländern ausgewiesen, so auch aus Österreich. Russland reagiert seinerseits, indem es westliche Diplomaten des Landes verweist.

Prag preschte vor: Sperre für russische Diplomaten

Jetzt aber will die EU einen Schritt weitergehen: Russlands Diplomaten soll die Einreise in den Schengen-Raum nur noch unter strengen Auflagen und quasi einer Einzelgenehmigung durch die nationalen Behörden des jeweiligen EU-Staates erlaubt werden. Vorreiter bei dieser diplomatischen Breitseite ist unser Nachbarland Tschechien. Dort drängt man seit Jahren darauf, die Einreise für russische Diplomaten quasi unmöglich zu machen.

Vor wenigen Tagen ist man in Prag jetzt vorgeprescht. Nur noch russische Diplomaten, die in Tschechien tatsächlich akkreditiert sind, dürfen ins Land einreisen, alle anderen müssen in Prag um eine spezielle Genehmigung ansuchen und die wird nur noch in klar begründeten Ausnahmefällen erteilt. Eine Einreise eines Diplomaten nach Tschechien, etwa aus der Türkei, ist damit nicht mehr möglich. Auch innerhalb des Schengen-Raumes gibt es für sie keine Reisefreiheit mehr. Will also ein Vertreter Russlands von Wien nach Prag reisen, muss er zuerst dort um eine Genehmigung ansuchen. 

Das Modell Tschechien soll bald auch für die gesamte EU gelten. In Kraft treten soll diese Regelung als Teil des 19. Sanktionspakets gegen Russland, das derzeit von den Mitgliedsstaaten verhandelt wird. Ob die Reisesperren dann tatsächlich so streng durchgezogen werden wie in Tschechien oder doch in einer etwas milderen Variante, ist derzeit noch Gegenstand heftigen Tauziehens hinter den Kulissen. Grundsätzlich aber ist man sich einig, nachdem sogar Ungarn seinen Widerstand gegen die Reisebeschränkungen eingestellt hat. 

Russlands Riesenbotschaft in Wien 

So hat Österreich etwa in einigen Detailfragen noch Vorbehalte - auch weil gerade im Fall von Österreich ausgesprochen viele russische Diplomaten betroffen wären. Österreich, vor allem natürlich Wien mit der Botschaft, hat eine der größten diplomatischen Vertretungen Russlands in Europa. Hierzulande sind mehr russische Diplomaten akkreditiert als etwa in Deutschland. Das liegt zwar einerseits daran, dass Wien UN-Sitz ist, andererseits aber auch an einer zumindest seltsam großen Zahl von diplomatischen Mitarbeitern in Bereichen wie Technik, oder Kultur. Auch bei Ausweisungen war Wien in den vergangenen Jahren viel zurückhaltender als andere EU-Staaten.

Weiter Verhandlungen um Raiffeisen Russland 

Thema bei den finalen Verhandlungen zum 19. Paket an Sanktionen ist auch die Bank Raiffeisen International (RBI), genauer gesagt ihre Tochter in Russland. Seit Jahren hat Raiffeisen versucht, sich aus dem Russland-Geschäft zurückzuziehen, wurde aber daran von Moskau gehindert, auch weil die Bank als wichtiger Angelpunkt für die Abwicklung von Geschäften über das europäische Swift-System dient, von dem Russland an sich ausgeschlossen ist.

Lange versuchte die RBI, ihr Russland-Geschäft in einem Tauschgeschäft abzustoßen: Gegen Geschäftsanteile, die der russische Oligarch Oleg Deripaska an der österreichischen Baufirma Strabag hatte. Der Deal wurde von Moskau verhindert, die RBI von den staatlichen Behörden zugleich in Russland vor Gericht gebracht. Dort verurteilte man die Bank wegen ihrer Geschäftsbeziehungen zur Strabag zu einer Strafe über zwei Milliarden Euro.

Russland droht der EU mit Gegenmaßnahmen

Nun versucht die RBI im Ausgleich für diese Milliardenstrafe, Kontrolle über Deripaskas in Österreich eingefrorene Geschäftsanteile zu bekommen. Eine Forderung, die aufgrund geltender EU-Sanktionen sogar einklagbar wäre. Allerdings dürfte Moskau darauf mit weiteren willkürlichen Strafmaßnahmen reagieren, weitere westliche Vermögenswerte in Russland könnten kassiert werden. 

Also soll die Angelegenheit auf dem diplomatischen Weg in Brüssel geklärt werden. Ein heikler Vorgang, wie man aus Diplomatenkreisen in Brüssel erfährt; für viele EU-Staaten sogar zu heikel. Schließlich steht die EU ja auch vor einer weit größeren Entscheidung: Was soll mit den rund 200 Milliarden Euro an staatlichem russischem Vermögen, das in der EU eingefroren ist, geschehen? Geplant ist, den Großteil des Geldes als Garantie für ein Darlehen für die Ukraine zu nehmen, das russische Geld mit einem juristischen Trick quasi nach Kiew umzuleiten. Auch hier stellt sich die Frage: Wie würde Moskau darauf reagieren?

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