Wie Russland sich an Europa rächen will

2023 war für Ramsan Kadyrows Familie ein Glücksjahr. Ohne Zutun konnte der Clan des tschetschenischen Machthabers bei einem der größten französischen Lebensmittelkonzerne mitmischen: Moskau hatte als Reaktion auf die „feindlichen Sanktionen des Westens“ den russischen Zweig von Danone enteignet – danach stand ein Neffe Kadyrows an der Spitze der 8.000-Mitarbeiter-Firma.
Moskau war schon immer kreativ, wenn man Rache an den USA und Europa üben wollte. Macht die EU nun ihren Plan wahr, die eingefrorenen Milliarden der russischen Zentralbank per Buchungstrick nach Kiew zu schicken (siehe rechts), wird Putins Vergeltung noch schmerzhafter: „Wir sprechen über Diebstahl“, sagte dessen Sprecher Dmitrij Peskow jetzt. Putins verbaler Kettenhund Dmitrij Medwedew drohte gar, dass man die „Degenerierten aus Europa“ verfolgen wolle – „manche auch ohne Richter.“
Absolute Willkür
Wie, das machte Putin am Mittwoch klar. Während die EU in Kopenhagen stritt, wie die Milliarden enteist und an die Ukraine geschickt werden könnten, hatte er bereits per Dekret beschleunigte Enteignungen abgesegnet. Nun können westliche Firmenanteile in zehn Tagen beschlagnahmt werden; bisher dauerte das deutlich länger und brauchte Gerichtsverfahren.
Der „Beschlagnahmungskrieg“, den Moskau seit Kriegsbeginn führt, wird noch deutlich härter werden, prognostizieren Analysten wie Alexandra Prokopenko von Carnegie Europe. Schon bisher wurden Konzerne, die sich aus Russland zurückziehen wollten, gegängelt, beschlagnahmt und an Putin-treue Loyalisten übergeben. Jetzt will der Staat wohl auch auf jene Summen zugreifen, die Russland auf Typ-C-Konten lagert – dort friert Moskau die Gewinne und Dividenden westlicher Firmen ein. Wie viel Geld das in Summe ist, weiß niemand so genau. Westliche Beobachter sprechen von einem zweistelligen Milliarden-Betrag; Putins Finanzminister behauptete, man habe gleich viel in der Hand wie der Westen. Damit hätte Moskau ein massives Faustpfand: Europa und die USA haben 300 Milliarden Dollar eingefroren, das ist zweimal so viel wie das Verteidigungsbudget Russlands.
Gut möglich, dass die Summe nur Propaganda ist. Doch selbst, wenn es weniger ist: Schon bisher mussten westliche Firmen in Russland Milliarden abschreiben. Immer wieder wurden strategisch wichtige Unternehmen vor Gericht gezerrt und bestraft, teils unter dubiosen Vorwänden. Einige wurden vom Kreml ganz ohne Verfahren enteignet; das geht laut Gesetz, wenn Firmen „zu wichtig“ sind, um sich in ausländischer Hand zu befinden.
Eingefroren Seit 2022 sind 255 Mrd. Euro staatliche russische Gelder in Europa eingefroren, 210 davon beim Finanzdienstleister Euroclear in Belgien. Die Zinsen davon kommen der Ukraine zugute, zuletzt vier Milliarden Euro. Mit dem Russen-Geld sollen die 140 Milliarden an zinsenfreien Darlehen für Kiew abgesichert werden – rückzahlbar sind die erst, wenn Moskau Entschädigung für den Krieg leistet.
2358 internationale Firmen gibt es noch in Russland, darunter Konzerne wie Pepsi, Nestle, Spar oder L’Oreal. Aus Österreich sind noch 79 Firmen tätig, neben der RBI auch Meinl oder Kotanyi.
Nur Putin entscheidet
Auch bei Banken entscheidet Putin persönlich über den Rückzug. 17 Institute sind laut der Kyiv School of Economics noch in Russland tätig, für Putin sind die europäischen besonders wichtig. Sie liefern via Swift-System einen Zugang zum westlichen Finanzsystem – und wickeln Gaszahlungen aus Europa ab.
Die größte davon ist Österreichs Raiffeisen International. Seit 2022 ist sie mehrfach gescheitert, ihren Russland-Zweig zu verkaufen; Gewinne stecken fest, Anfang des Jahres wurde sie zu einer Schadenersatzzahlung von zwei Milliarden Euro verurteilt. Auch jetzt stand die RBI wohl wieder kurz vor einem Verkauf, doch die Behörden hätten das abermals verhindert, schreibt Reuters. Die RBI selbst bestätigt das nicht – dort heißt es zum KURIER nur, dass die RBI „über den Verkauf ihrer russischen Tochtergesellschaft“ verhandle.
Wer das Prozedere der Behörden kennt, weiß aber um die immer selben Abläufe. Oft werden Verkaufsgenehmigungen versprochen und in letzter Sekunde zurückgezogen; teils verschwinden zuständige Beamte. Darf man verkaufen, kassiert der Kreml 50 Prozent des Erlöses. „Unterm Strich ist jeder Unternehmer nur vom Wohlwollen des Staatsapparats abhängig“, sagen Insider.
Österreich versucht daher, Raiffeisen anders zu helfen. Man will die Zwei-Milliarden-Strafe über einen Umweg begleichen – mit eingefrorenen Strabag-Aktien, die dem sanktionierten Oligarchen Oleg Deripaska zugerechnet werden. In anderen EU-Staaten hat man damit wenig Freude, weil dafür die SAnktionen gegen Deripaska fallen müssten – an der Börse legte die RBI-Aktie aber gleich einmal sechs Prozent zu.
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