Europa im Drohnen-Dilemma: Woran die Abwehr scheitert

Informal Meeting of the EU Heads of State or Government in Copenhagen
Brüssel will einen Drohnenwall an der Ostflanke errichten, doch das klingt einfacher als es ist: Die Abwehrsysteme sind trotz hochtrabender Versprechen löchrig.

Am Mittwoch konnten Europas Staats- und Regierungschefs kurz aufatmen, denn die  Landebahnen in Kopenhagen waren frei. Das aber wohl nur  dank  Hunderter dänischer, deutscher, französischer und schwedischer Soldaten und einer Bundeswehr-Fregatte, die vor der dänischen Hauptstadt kreuzte: Selten war ein  informeller EU-Gipfel so abgesichert wie der in Kopenhagen – auch wenn der Kreml nach wie vor bestreitet, hinter den Drohnen über Dänemark zu stecken, wollte man Moskau keine Angriffsfläche bieten. Und man schickte dem Kreml eine Botschaft:  Seit Tagen ist darum in Brüssel auch die Rede vom „Drohnenwall“ an der Ostflanke, der   Russland in die Schranken weisen soll. 

Nur: Das Wie wird dabei gerne außen vor gelassen. Aus gutem Grund, denn viele ähnliche EU-weite Projekte sind in den letzten Jahren an widerstreitenden nationalen Interessen gescheitert. Derzeit steht die deutsch-französische Kampfjetkooperation FCAS an der Kippe; auch ein europäisches Drohnenabwehrsystem war mal in Planung, realisiert wurde es nie.

Lernen von der Ukraine

Europas Staaten haben darum in Eigenregie an der Drohnenabwehr gebaut, und das ist das zweite Problem am „Wall“. Während die Franzosen 2024 bei den Olympischen Spielen gezeigt haben, dass ihr System funktioniert, scheiterte Polens national entwickeltes, Millionen Euro teures Modell beim jüngsten Vorfall bereits an der Erkennung der Drohnen. Und Deutschland, das unter Kanzler Friedrich Merz ja militärisch eine Vorreiterrolle einnehmen will, ist laut ranghohen Militärs in Sachen Drohnenabwehr ohnehin „komplett schutzlos“. Die Flak-Panzer, die Drohnen vom Himmel holen könnten leisten könnten, wurden 2012 außer Dienst gestellt – jetzt setzt sie die Ukraine erfolgreich ein.

Dort hätte man Erfahrung, „von der Europa lernen muss“, sagt der ukrainische Militärexperte Oleksandr Kovalenko zum KURIER. Nur: Passiert ist auch das bisher kaum. Polen etwa habe von Kiew viele Informationen in Sachen Drohnen bekommen, genutzt wurden die offensichtlich nicht. Kovalenko warnt zudem, dass Europa sich zu sehr auf die Methoden klassischer elektronischer Kriegsführung verlasse. Russland habe 7500-Dollar–Drohnen aus Sperrholz nach Polen geschickt, die selbst die 80-Millionen-Dollar-F35 nicht erwischten. Und fast täglich kämen neue Entwicklungen hinzu, sagt er – Drohnen-Mutterschiffe etwa, die kleine Drohnen über lange Strecken transportieren, oder Glasfaser-Drohnen, die nicht per Störsender vom Himmel geholt werden können.

In der Ukraine sprießen daher Drohnenfirmen aus dem Boden, die auch vermehrt von europäischen Interessenten angefragt werden. Die heimischen Produktionskapazitäten sind nämlich das nächste Problem: Viele Rüstungskonzerne sind komplett ausgelastet, und der technologische Fortschritt im Drohnen-Business ist rasant.

Herabfallende Trümmer

Dazu sind juristische Fragen ungeklärt, vor allem beim Schutz ziviler innereuropäischer Einrichtungen wie Flughäfen. Dänemark will darum die Gesetzlage anpassen, um auch Drohnen abschießen zu können, die von russischen Agenten innerhalb Europas gestartet wurden – die Frage nach Konsequenzen, sprich den herabfallenden Trümmerteilen, die Zivilisten gefährden, löst das aber nicht.

Wie lange es dauert, bis Europa sich mit einem „Drohnenwall“ schützen kann, steht damit in den Sternen. EU-Verteidigungskommissar403087807 sprach vorsichtig von einem Jahr, sein Berliner Kollege Boris Pistorius war pessimistischer: Drei bis vier Jahre brauche es, sagte er - mindestens.

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