"Sozialistisch und pro-europäisch": Sánchez in Madrid vereidigt

König Felipe VI vereidigte den neuen Ministerpräsidenten. Der 46-Jährige verzichtete dabei auf die Bibel.

Der spanische Sozialistenchef Pedro Sánchez ist am Samstag von König Felipe VI. als neuer Regierungschef vereidigt worden. Der 46-Jährige legte den Amtseid im Beisein seines Vorgängers Mariano Rajoy im Zarzuela-Palast am Stadtrand von Madrid ab. Sánchez ist der siebente Ministerpräsident des Landes seit dem Ende der Franco-Diktatur 1975.

Er ist zudem der erste Ministerpräsident, der durch ein konstruktives Misstrauensvotum und ohne Parlamentswahl an die Macht gekommen ist. Erstmals in der Geschichte Spaniens verzichtete ein Ministerpräsident bei seiner Vereidigung auch auf Bibel und Kruzifix und schwor nur auf die Verfassung. Felipe selbst hatte diese Möglichkeit 2014 eröffnet, um der in der Verfassung verankerten Religionsfreiheit Genüge zu tun.

Sánchez hatte Ende vergangener Woche einen Misstrauensantrag gegen Rajoy eingebracht, nachdem dessen konservative Volkspartei (PP) in einer Korruptionsaffäre vom nationalen Strafgerichtshof zu einer Geldstrafe und mehrere frühere PP-Mitglieder zu teils langjährigen Haftstrafen verurteilt worden waren. Am Freitag hatte er das Votum im Parlament gewonnen: 180 Mitglieder des 350-köpfigen Parlaments stimmten für den Ökonomiedozenten, der die Spanische Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) seit 2014 führt.

Neues Kabinett soll nächste Woche stehen

Nun muss Sánchez sein Kabinett zusammenstellen. Im Gespräch für das Amt seines Vize seien der Organisationssekretär der Sozialisten, José Luis Ábalos, und Carmen Calvo, die in der Regierung von Jose Luis Rodriguez Zapatero mehrere Jahre Kulturministerin war, berichtete die spanische Zeitung "El País" unter Berufung auf PSOE-Kreise.

Es wird erwartet, dass auch das als linkspopulistisch eingestufte Bündnis Unidos Podemos, das die PSOE bei der Abstimmung unterstützt hat, Ansprüche auf mehrere Ministerposten anmeldet. Unklar war, welche Zugeständnisse Sánchez mehreren kleinen Regionalparteien - unter anderem aus der Krisenregion Katalonien - für ihre Unterstützung machen will.

Bis zur Vereidigung des neuen Kabinetts blieben zunächst die Minister aus der Regierung Rajoy im Amt, berichteten spanische Medien am Samstag. Das neue Kabinett soll Berichten zufolge aber bereits in der kommenden Woche stehen. Die PSOE, die älteste Partei Spaniens, war seit 2011 in der Opposition. Damals übernahm Rajoy von seinem sozialistischen Vorgänger Zapatero.

"Meine Regierung ist pro-europäisch"

In Berlin und Brüssel wurde der Machtwechsel in der viertgrößten Volkswirtschaft der Eurozone zunächst mit Sorge betrachtet. Rajoy galt als enger Verbündeter von Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Sánchez, der noch kein Regierungsprogramm vorgelegt hat, versicherte aber bereits, oberste Priorität sei es, die europäischen Verpflichtungen einzuhalten. "Meine Regierung wird sozialistisch, paritätisch (Frauen und Männer), pro-europäisch und ein Garant für Haushaltsstabilität sein und ihre europäischen Aufgaben erfüllen", erklärte er im Parlament.

Mit Spannung wurde auch erwartet, ob durch die neue Regierung Bewegung in die verfahrene Katalonien-Krise kommt. Sánchez wolle sich schon bald mit dem neuen katalanischen Regionalchef Quim Torra treffen, um über die mögliche Eröffnung eines Dialogs zu sprechen, berichteten spanische Medien. Die Konfliktregion stand nach dem verbotenen Unabhängigkeitsreferendum vom Oktober 2017 bis zur Übernahme der Amtsgeschäfte durch Torra am Samstag unter Zwangsverwaltung aus Madrid.

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