Vorbild für Österreich? Wo die Wirtschaft auch in harten Zeiten wächst

Irlands Hauptstadt Dublin wie die ganze Insel in wirtschaftlicher Feierlaune.
Österreichs Wirtschaft schwächelt – während Irland und Spanien besonders erfolgreiche Beispiele in der EU liefern, wie Wirtschaft wachsen kann. Aber auch dort bedeutet das Plus vor dem BIP längst nicht, dass alles glänzt:
Irland hat eine der gesündesten Finanzen der EU
Es war ein riesiges Geldgeschenk, das sich die Regierung der Grünen Insel gar nicht gewünscht hatte: Elf Milliarden Euro an verspäteten Körperschaftssteuern musste der Apple-Konzern an Irland nachzahlen. Ein europäisches Gerichtsurteil, das Irland zunächst wenig schmeckte – denn ein extrem niedriger Körperschaftssteuersatz von 12,5 Prozent (seit kurzem von 15 Prozent für Unternehmen mit einem Jahresumsatz ab 750 Mio. Euro) war schließlich jahrelang ein äußerst lukratives Lockmittel, internationale Großkonzerne auf die Insel zu holen.
Zusammen mit anderen, milliardenschweren Nachzahlungen bescherte dieser warme Steuerregen Irland eine der gesündesten Finanzen der EU. Die Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP beträgt 41 Prozent (Österreich: knapp 85 Prozent). Und auch bei seinen Exporten, vor allem bei Medizin- und Pharmaprodukten, hat sich die kleine Insel zur Wirtschaftsgroßmacht entwickelt.
Überholtes Erfolgsrezept
Die hohen Wachstumsraten Ende der 1990er-Jahre, die Irland von einem europäischen Armenhaus zu einem „keltischen Tiger“ formten, sind vorbei. Doch noch immer schlagen sich die Insel und ihre nur 5,5 Millionen Einwohner besser als der europäische Durchschnitt. 1,2 Prozent betrug das Plus Irlands im Vorjahr – während Österreichs Wirtschaft etwa um ein Prozent schrumpfte. Heuer wird ein Wachstum von 3,3 Prozent prognostiziert, einer der größten Sprünge nach vorn eines EU-Staates – es sei denn, Amerikas Zollpolitik dampft Irlands Exporterfolge ein. Die von den USA angedrohten Zölle in Höhe von 15 Prozent auf alle EU-Importe werden an Irland jedenfalls nicht spurlos vorüber gehen.
Irlands wirtschaftliche Erfolgsgeschichte hat allerdings auch ihre Schattenseiten. Vom hohen BIP-Pro-Kopf (83.611 Euro – zum Vergleich laut Wirtschaftskammer Österreich: 45.729 Euro) spürt die große Mehrheit der Bevölkerung wenig. Das Lohnniveau ist relativ niedrig, das Gefühl von Wohlstand blieb für viele Iren und Irinnen lang unerreichbar. Die Arbeitnehmergesetze sind lax; Arbeit auf Abruf gehörte lange zum Alltag – während die Wohnungen knapp sind und die Mietpreise explodieren. Das liegt auch am gewaltigen Zuzug, den die Insel im Zuge ihres Wirtschaftsaufschwungs erlebte: In den vergangenen 25 Jahren stieg die Bevölkerungszahl um 40 Prozent – darunter viele Migranten. Irlands kleiner Wohnungsmarkt konnte mit dem Wachstum nicht Schritt halten, an die 200.000 Wohnungen fehlen. Erst jetzt, mit den riesigen Steuernachzahlungen hat Irland allmählich begonnen, dringend benötigte Wohnanlagen zu bauen.
Spanien bleibt in der EU ein Sonderfall
Selbst der schlechteste Schüler kann seine Hausaufgaben machen – und Klassenbester werden. So beschreibt die spanische Tageszeitung El País den wirtschaftlichen Aufschwung im eigenen Land. Das einstige Sorgenkind der Europäischen Union ist längst ein wahrer Überflieger.
Seit 2021 wächst Spaniens Wirtschaft überdurchschnittlich stark, im Vorjahr (als der britische Economist das Land sogar zur stärksten Wirtschaftsnation der Welt adelte) um satte 3,2 Prozent. Zum Vergleich: Der EU-Schnitt lag bei nur 0,8 Prozent. Auch im Frühjahr 2025 hat Spaniens Wirtschaftsmotor noch einmal zugelegt: Von April bis Juni stieg das BIP im Vergleich zum Vorquartal um 0,7 Prozent. Dafür gibt es mehrere Gründe:

Vor allem Tourismus und privater Konsum lassen Spaniens Wirtschaft wachsen.
Spaniens Bevölkerung wächst – vor allem dank der Zuwanderung aus Lateinamerika. Allein im Vorjahr ist die Zahl der im Ausland geborenen Einwohner um fast 650.000 gestiegen. Der Arbeitsmarkt profitiert enorm von der jungen, arbeitswilligen Bevölkerung. Auch der private Konsum hat angezogen. Zudem blüht der Dienstleistungssektor, allen voran der Tourismus, der 13 Prozent zur Wirtschaftsleistung beiträgt. Jahr für Jahr sprengt das südeuropäische Land Rekorde. 2025 werden 100 Millionen Gäste erwartet. Doch auch nicht touristische Dienstleistungen, z. B. in der IT- und Finanzbranche, boomen, erklärt Friedrich Henle, von Germany Trade & Invest (GTAI).
US-Zölle treffen das Land weniger stark
Ebenfalls nicht zu vernachlässigen: Spanien erhält großzügige Mittel aus dem EU-Wiederaufbaufonds „Next Generation“. Große Summen fließen in Infrastrukturprojekte und Wohnungsbau. Was Spanien im Vergleich zu Ländern wie Österreich zudem in die Karten spielt: Das Land ist weniger stark von US-Zöllen betroffen. Die spanische Industrie produziert vor allem für Europa; Exporte in die USA machen weniger als fünf Prozent aus.
Auch die im EU-Schnitt für Verbraucher und Unternehmen niedrigen Energiepreise – aufgrund des hohen Anteils erneuerbarer Energien – spielen eine Rolle. Sie locken energieintensive Unternehmen, etwa Rechenzentren, ins Land. „Hier sieht man sehr viel Bewegung“, fasst Henle zusammen.
Doch nicht alles läuft wie geschmiert: Die Produktivität ist über alle Branchen hinweg niedriger als im EU-Schnitt. Trotz rückläufiger Arbeitslosigkeit schwankt die Sockelarbeitslosigkeit weiterhin zwischen 10 und 11 Prozent, also deutlich über dem EU-Schnitt. Unter anderem, weil das spanische Ausbildungssystem nicht optimal auf den Bedarf der Unternehmen zugeschnitten ist.
Gewinner: Das stärkste Wirtschaftswachstum unter den EU-27-Ländern erzielten im Vorjahr Malta (+5,9%) und Kroatien (+3,9%).
Verlierer: Unter den sechs EU-Ländern mit einem Minus vor dem BIP hatte Österreich im Vorjahr den größten Rückgang zu verzeichnen (-1.0%).
Großer Niedriglohnsektor
Zudem spüren bei weitem nicht alle etwas vom Wirtschaftsaufschwung. Spaniens Niedriglohnsektor ist riesig. Zwar hat die Linksregierung von Premier Pedro Sánchez den Mindestlohn zuletzt stark angehoben. Das real verfügbare Einkommen ist jedoch kaum gestiegen. Die Folge: Die Stimmung der privaten Haushalte hat sich seit 2019 laut BBVA Research kaum verändert. Auch, weil die Miet- und Immobilienpreise in die Höhe geschossen sind – eine Folge des Massentourismus.
Die Wirtschaftsprognosen für die nahe Zukunft bleiben indes rosig: Für 2026 wird ein Wirtschaftswachstum von zwei Prozent erwartet. Damit liegt Spanien weiter über dem EU-Schnitt. Henle: „Viele Unternehmen sind bereit, in Spanien zu investieren. Die Stimmung ist gut.“
Kommentare