SOS-Kinderdorf untersucht Gewalt und Missbrauch in 50 Projekten

SOS-Kinderdorf untersucht Gewalt und Missbrauch in 50 Projekten
Untersuchungen in 20 Ländern Afrikas und Asien, Geschäftsführung von SOS-Kinderdorf International entschuldigt sich.

Am Donnerstag hatte SOS-Kinderdorf Österreich bekannt gegeben, dass Kinder und Jugendliche in 20 Ländern Afrika und Asiens Opfer von Gewalt, Misshandlung und sexuellem Missbrauch geworden sind. Die Zahl der Opfer wurde nicht genannt, sie sei jedenfalls "klein", hieß es gegenüber der APA. Wie das Management von SOS-Kinderdörfer weltweit nun mitteilte, gibt es in 50 von insgesamt 3.000 Einrichtungen der nationalen SOS-Kinderdorf-Vereine Handlungsbedarf.

Das kam laut Eigenangaben bei externen Überprüfungen heraus. Zuvor war es in 22 Fällen zu Untersuchungen in den Bereichen sexueller Missbrauch, Vorteilnahme und Korruption gekommen. Der Dachverband der SOS-Kinderdörfer weiß laut eigenen Angaben seit 2020, dass bekannte Vorfälle nicht konsequent untersucht wurden. Im November habe man daraufhin die Untersuchung der 22 Fälle in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse wurden dem internationalen Senat am 26. April vorgelegt.

Insgesamt geht es in den 50 betroffenen Projekten um Verletzungen des Kinderschutzes sowie Fälle von Misswirtschaft und persönlicher Vorteilnahme. Darunter fallen eingeschränkte Finanzaudit-Berichte, die von unabhängigen Wirtschaftsprüfern vorgelegt werden, aber auch Fälle von Verstößen gegen Kinder- und Jugendschutzrichtlinien, die im jährlichen Kinderschutzbericht dokumentiert werden, hieß es vom in München ansässigen Management von SOS-Kinderdörfer weltweit in einer der APA übermittelten Stellungnahme.

Wie SOS-Kinderdorf Österreich nannte auch die internationale Dachorganisation keine Details zur Zahl der Opfer, den betroffenen Ländern und den Übergriffen. Am Donnerstag hatte die Geschäftsführerin von SOS-Kinderdorf in Österreich, Elisabeth Hauser, von "schwerem Fehlverhalten von Mitarbeitern und schwerwiegenden Vorwürfen" gesprochen und die Vorfälle erstmals öffentlich gemacht. Den betroffenen Kindern sei "Gewalt angetan" worden, es sei "zu Misshandlungen bis hin zu sexuellem Missbrauch" gekommen.

Die 22 Fälle beziehen sich jedenfalls auf strafrechtlich relevante Fälle. Laut SOS-Kinderdörfer weltweit wurden diese durch Whistleblower zur Anzeige gebracht. Sie umfassen einen Zeitraum von den 1990er-Jahren bis heute. SOS-Kinderdorf rechnet jedenfalls mit weiteren Fällen, auch aufgrund der nunmehrigen medialen Aufmerksamkeit. Die Betroffenen sollen vollumfänglich unterstützt werden, wenn nötig, auch psychologische Hilfe bekommen. Für die Opfer gibt es einen Unterstützungsfonds in der Höhe von zehn Millionen Euro. Das Geld stammt aus den Rücklagen der SOS-Kinderdörfer.

"Wir bitten um Verzeihung", äußerte sich Wilfried Vyslozil, Vorstandsvorsitzender der SOS-Kinderdörfer weltweit. Der in München beheimatete Förderverein SOS-Kinderdörfer weltweit ist der weltgrößte SOS-Förderverein. Er finanziert in rund 100 Ländern weltweit die internationalen SOS-Einrichtungen. "Im Namen des Verbandes entschuldige ich mich bei den Kindern und Jugendlichen, denen Schaden zugefügt wurde", sagte Ingrid Maria Johansen, die Vorsitzende des Dachverbands SOS Children's Villages International.

Die Dachorganisation entschied vergangenen Donnerstag, dass eine Special Commission die Vorfälle aufarbeiten soll. Ihr gehören ehemalige und aktive Richterinnen und Richter aus Kenia, Sri Lanka und Österreich an. Parallel dazu hat SOS-Kinderdorf Österreich, Inhaber der Marke SOS-Kinderdorf, eine unabhängige Kommission unter der Leitung von Waltraud Klasnic eingerichtet.

Der jährliche Kinderschutzbericht von SOS-Kinderdorf dokumentiert unter anderem Fälle von emotionaler Herabwürdigung, Vernachlässigung, gewaltbesetzter Pädagogik und sexueller Übergriffe, die zur Anzeige gebracht werden.

Laut dem Report wurden 2019 von SOS-Kinderdorf weltweit 328 der mehr als 40 000 Mitarbeiter ermittelt, die ihnen anvertraute Kinder und Jugendliche physisch und psychisch verletzt, vernachlässigt oder sexuell missbraucht haben. In dem 26-seitigen Bericht wird aufgeschlüsselt, was den Tätern vorgeworfen wird: In fast jedem zweiten Fall geht es um körperliche Gewalt. Zwölf Mitarbeiter sollen sexuelle Übergriffe begangen haben, sie wurden entlassen.

SOS-Kinderdorf ist weltweit als Föderation organisiert, unter dem Dach von SOS-Kinderdorf International. Das erste Kinderdorf wurde 1949 von Hermann Gmeiner in Imst errichtet, 40 Kinder wurden damals betreut. Nunmehr ist SOS-Kinderdorf in 137 Ländern weltweit tätig, mehr als 1,2 Millionen Kinder und Jugendliche werden von mehr als 40.000 Mitarbeitern betreut. Die SOS-Kinderdorf-Organisationen in den einzelnen Ländern können sehr autonom entscheiden und handeln.

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