"SofaGate" bei Erdoğan: Affront oder Protokoll?

"SofaGate" bei Erdoğan: Affront oder Protokoll?
Warum Ursula von der Leyen beim türkischen Präsidenten aufs Katzenbankerl musste - und wieso das in Österreich nie passieren würde.

Die Aufregung und das Flattern – vor allem in sozialen Medien – sind groß: Hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen brüskiert, indem er beim Besuch der EU-Spitze in Ankara nur für Ratspräsidenten Charles Michel einen Sessel neben seinem aufgestellt hatte? Während sie nach einem fragenden „ähm?“ auf ein Sofa musste.

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu, er saß auf dem Sofa vis à vis, spricht von „ungerechten Anschuldigungen gegenüber der Türkei“. Die Sitzordnung sei laut „Anregungen der EU-Seite aufgestellt worden. Punkt“. Die EU-Kommission hatte sich empört: Von der Leyen hätte aus ihrer Sicht auf Augenhöhe mit Michel und Erdoğan platziert werden müssen. Konservative und Sozialdemokraten als größte Fraktionen im Europaparlament verlangten zu der „SofaGate“-Affäre eine Plenarsitzung mit Von der Leyen und Michel.

"SofaGate" bei Erdoğan: Affront oder Protokoll?

Von der Leyen mit EU-Ratspräsident Michel und dem türkischen Präsidenten Erdogan

Ratspräsident Michel, der im Netz dafür kritisiert wurde, dass er nicht aufgestanden war und von der Leyen seinen Platz angeboten hatte, erklärte die Sitzordnung mit einer engen Auslegung von protokollarischen Regeln durch die Türkei, auch wenn er die Situation bedauert habe. Er habe mit von der Leyen vorab vereinbart, keinen Eklat provozieren und das Ziel des Gespräche (Annäherung EU-Türkei) nicht gefährden zu wollen.

Von der Leyens Vorgänger Jean-Claude Juncker sagte, dass auch er auf Auslandsreisen zuweilen als Nummer zwei hinter dem Ratspräsidenten behandelt worden sei, was protokollarisch korrekt sei.

Gleichrangig bei Van der Bellen

In der Präsidentschaftskanzlei in Wien heißt es auf Anfrage des KURIER: Kämen Michel und Von der Leyen zu Alexander van der Bellen, würden sie „gleichrangig und wie Regierungschefs behandelt“. Von der Leyen stünde/ säße rechts vom Präsidenten, Michel links (die beiden haben das gleiche Dienstalter, aber die Ältere hat den Anspruch auf den „besseren“ Platz). Denn prinzipiell gilt: Unter Gleichrangigen kann das Anciennitätsprinzip zur Anwendung kommen – das heißt, der Amtsältere hat Vorrang. Wenn mehrere das gleiche Amtsalter haben, ist ihre Reihenfolge nach dem natürlichen Alter (Senioritätsprinzip). Diesbezüglich ist die Sache eindeutig: Von der Leyen ist 62, Michel 45.

Erdoğan ein "Diktator"?

Italiens Premier Mario Draghi bezeichnete Erdoğan in dem Zusammenhang als „Diktator“. Das Verhalten habe ihm „wegen der Demütigung missfallen, die die  Kommissionspräsidentin erleiden musste“. So mancher politische Beobachter will im „SofaGate“  anderes herauslesen. Eric Maurice von der Schuman-Stiftung ortet „fehlende Kommunikation“ zwischen Michel und Von der Leyen „über ihre jeweilige Rolle bei dieser Mission“.

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