Sobotka: "Sehe Demos im Namen Erdogans mehr als kritisch"
"Türkiye!", "Allahu akbar!", "Mein Leben ist für die Heimat!", "Die heutigen Krieger sterben niemals – und das Land teilt sich niemals!" Derlei hatten Hunderte heimische Anhänger des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan am Wochenende bei zwei Demonstrationen in Wien gerufen. Viele schwenkten türkische Fahnen. Der Gastgarten eines kurdischen Lokals wurde demoliert.
Österreichischen Politikern missfallen Pro-Erdogan-Manifestationen im Land. ÖVP-Innenminister Wolfgang Sobotka reagiert via KURIER scharf: "Demonstrationen im Namen Erdogans in Wien betrachte ich mehr als kritisch." Er verweist darauf, dass die Demonstrationen nicht bei der Polizei angemeldet gewesen seien – und da habe es "Zwischenfälle mit Sachbeschädigung" gegeben: "Unter dem Deckmantel der Demonstrationsfreiheit innenpolitische Meinungsbilder aus der Türkei in Österreich zu verbreiten, ist inakzeptabel."
SPÖ-Kanzler Christian Kern sagte im ORF-Radio: "Wir gewähren das Gastrecht, werden das gegenüber Asylsuchenden weiterhin tun." Es müsse aber "einen Beitrag zum gedeihlichen Zusammenleben auch von muslimischer Seite geben". Er werde – auch ob des Anschlags in Nizza – Vertreter islamischer Verbände laden, "um zu diskutieren, wie man zu einem ruhigen, vernünftigen Umgang kommt". Eine "Strategie für Deradikalisierung" sei zu entwickeln. "Es geht um die Einhaltung von Grundregeln", befindet Kern.
Kein Konflikt-Import
Dass in Österreich Demonstrationsfreiheit gelte, sei gut, meint ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz. "Gleichzeitig erwarte ich mir als Integrationsminister von Menschen, die bei uns leben, dass sie ihrem neuen Heimatland gegenüber loyal sind – und es aus Respekt unterlassen, politische Konflikte nach Österreich zu importieren."
Die beiden Konkurrenten um das höchste Amt im Staat, FPÖ-Mann Norbert Hofer und der Grüne Alexander Van der Bellen, kritisieren die Solidaritätsbekundungen hier lebender Türken für Erdogan von der muslimisch-konservativen AKP ebenfalls."Österreich ist nicht der Ort, um türkische Politik auf den Straßen – noch dazu nicht frei von Gewalt – auszutragen", befindet Hofer. Van der Bellen sagte dem KURIER: "In Österreich gilt die Demonstrationsfreiheit, so lange das in friedlicher Form passiert. Ich verurteile aber jeden Versuch, den Konflikt in der Türkei in gewalttätiger Form nach Österreich zu tragen. Jene, die hier das Demonstrationsrecht in Anspruch nehmen, müssen sehen, dass genau Rechte wie Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, unabhängige Justiz und Demonstrationsfreiheit in der Türkei von Präsident Erdogan verwehrt werden."
Polizei ermittelt
Grün-Mandatar Peter Pilz sagt zum KURIER: "Ich will keine türkischen Verhältnisse in Österreich haben." Zu demonstrieren sei legitim, "es wurden aber Grenzen überschritten". Er wolle "einen peniblen Bericht des Verfassungsschutzes. Dann ist im Parlament über Maßnahmen zu reden." Es gehe nicht an, dass Verbände wie die UETD (siehe unten) "Erdogans Geschäft in Österreich erledigen".
Cem Aslan, Präsident der UETD, bestreitet, die Demonstrationen organisiert zu haben: Die erste, in der Nacht auf Samstag, habe sich spontan entwickelt, zur zweiten habe die "Linkswende" via Facebook aufgerufen. Er sei dabei gewesen. Die Mehrheit sei nicht für Erdogan, sondern "gegen den Putsch und für Demokratie aufgetreten". Laut KURIER-Informationen hat Aslan den Samstag-Aufmarsch orchestriert; der war nicht angemeldet. Bei der Polizei wird kein Name genannt. Es heißt nur: Der Initiator werde wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz angezeigt. Zudem wird wegen einer Sachbeschädigung, zwei Körperverletzungen und drei Anzeigen nach dem Suchtmittelgesetz ermittelt.
Präsidentschaftskandidat Alexander Van der Bellen hat scharfe Kritik an den Pro-Erdogan-Demonstrationen in Österreich geübt. Über Facebook richtete er Erdogan-Anhängern am Montag aus, dass die von ihnen in Anspruch genommenen Freiheitsrechte "in der Türkei von Präsident Erdogan verwehrt werden".
"In Österreich gilt die Demonstrationsfreiheit, so lange das in friedlicher Form passiert. Ich verurteile aber jeden Versuch, den Konflikt in der Türkei in gewalttätiger Form nach Österreich zu tragen, wenn etwa bei einer Demo Kurden attackiert werden", sagte der Sieger der aufgehobenen Bundespräsidentenwahl im Mai. "Jene, die hier in Österreich das Demonstrationsrecht in Anspruch nehmen, müssen sehen, dass genau Rechte wie Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, unabhängige Justiz und Demonstrationsfreiheit in der Türkei von Präsident (Recep Tayyip) Erdogan verwehrt werden."
Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) hat in der Diskussion um die Pro-Erdogan-Demonstrationen "mehr Loyalität und Respekt gegenüber Österreich als Gastland" gefordert. "Mir fehlt jedes Verständnis dafür, wenn politische Konflikte aus dem Ausland zu uns importiert werden", schrieb der ÖVP-Chef am Montag auf Facebook. "Wir dulden in Österreich keine Parallelgesellschaften."
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