Neue Offensive oder Waffenruhe? Israel vor brisanten Entscheidungen

Sie kamen aus einem Tunnel, etwa 40 Meter von einem israelischen Posten entfernt, eröffneten das Feuer. Nach etwa zehn Minuten Feuergefecht zogen sich die Hamas-Kämpfer wieder zurück, verloren bis zu fünfzehn ihrer Kämpfer. Auf israelischer Seite wurden drei Soldaten verletzt, einer davon schwer. Trotz massiver Verluste scheint die Terrororganisation Hamas nach wie vor in der Lage zu sein, die Soldaten der Israelischen Verteidigungskräfte (IDF) zu überraschen – die Armee räumte ein „Versagen“ ein.
60.000 vor Einberufung
Nach 22 Monaten intensiver Militäroperationen – allen voran im Gazastreifen, melden immer mehr israelische Soldaten, abgekämpft zu sein. Gleichzeitig erhält die Hamas Berichten zufolge konstanten Zulauf aus der Bevölkerung des Gazastreifens.
Man verspreche sich angesichts der humanitären Lage eine Verbesserung der eigenen Situation. Ungeachtet dessen beginnen die IDF derzeit eine weitere Offensive auf Gaza-Stadt. Am Mittwoch habe man damit begonnen, erste Vororte zu besetzen. 60.000 Reservisten sollen einberufen werden, um im September mit der Hauptoperation zu beginnen.
Laut israelischen Beamten sollen die detaillierten Militärpläne zur vollständigen Einnahme der Stadt in den nächsten Tagen vom Sicherheitskabinett abschließend gebilligt werden. Man werde die Bewohner der Stadt Gaza warnen und ihre Evakuierung ermöglichen, erklärte ein Armeesprecher.
Verhandlungen stocken
Die Hunderttausenden Zivilisten sollen in Zeltquartiere weiter im Süden evakuiert werden. Ein Vorhaben, das laut einem Bericht der "Neuen Zürcher Zeitung" auf geteilte Reaktionen der Zivilbevölkerung stößt: „Diesmal ziehe ich es vor, dass wir alle zusammen in unserem Haus sterben, statt es zu verlassen“, sagt ein Palästinenser der Zeitung. Ein anderer will mitsamt seinen überlebenden Familienangehörigen flüchten.
Während die Militäroperation, die die katastrophale humanitäre Lage weiter verschärfen würde, vorbereitet wird, laufen parallel dazu weiter Verhandlungen über eine mögliche Waffenruhe. Die Terrororganisation Hamas hatte sich am Montag grundsätzlich dazu bereiterklärt.
Dennoch wäre es nicht das erste Mal, dass der „diplomatische“ Flügel sich anders verhält als der militärische. Medienberichten nach handelt es sich bei dem jüngsten Vorschlag für eine Waffenruhe um eine fast identische Fassung eines zuvor bereits verhandelten Vorschlags des US-Sondergesandten Steve Witkoff. Dieser sieht eine 60-tägige Feuerpause vor, in der zehn lebende Geiseln im Gegenzug für palästinensische Häftlinge freigelassen werden. Insgesamt befinden sich in Gaza noch 50 Geiseln, von denen noch mindestens 20 am Leben sein sollen.
Kehrt Ganz in Regierung zurück?
Ein solches Abkommen würde jedoch abermals die rechte israelische Regierung in Schwierigkeiten bringen: Der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich soll Berichten zufolge gegenüber Angehörigen der Geiseln erklärt haben, er werde aus der Regierung austreten, sollte Ministerpräsident Netanyahu einem Waffenruhe-Abkommen mit der Hamas zustimmen. Um politisch überleben zu können, ist Netanyahu auf die Unterstützung seiner rechtsextremen Partner wie Smotrich oder den Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir, angewiesen.
Allerdings könnte der Oppositionspolitiker Benny Gantz einspringen. Er soll erwägen, in die Regierung zurückzukehren, um eine Waffenruhe zu ermöglichen. Sollte das passieren, wäre Netanjahus Regierung auch ohne die rechtsextremen Parteien „Religiöser Zionismus“ und „Otzma Yehudit“ regierungsfähig. Ein Waffenstillstandsabkommen wäre dann realistischer.
Kommentare