"Das Schlachtfeld in einem Krieg um Herzen und Hirne"

Lettland hält derzeit die EU-Ratspräsidentschaft; Außenminister Rinkevics: „Beginnen zu verstehen, dass sich die Welt verändert.“
Außenminister Rinkevics über den Ukraine-Krieg und die Probleme der EU damit.

KURIER: Sie haben Russland mit Nazi-Deutschland verglichen. Man könnte sagen, das ist polemisch. Ist es das?Edgars Rinkevics: Betrachten wir, was eben passiert: Wir hören beispiellose Worte sowohl von russischen Offiziellen als auch von der Propagandamaschine; es wurde mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht; wir haben die Annexion von Territorium gesehen; der Druck auf Opposition und Meinungsfreiheit wächst. Natürlich, es ist polemisch, aber man muss auch klar sagen, dass solche Dinge inakzeptabel sind.

Würden Sie sagen, dass die europäischen Partner diese Bedrohung genauso empfinden?

Ich denke, das Verständnis wächst. Wir haben versucht – und ich denke, das ist der richtige Zugang –, alle politischen Mittel einzusetzen, was die Krise in der Ukraine angeht. Aber wir haben auch gesehen, dass das nicht greift, und dass wir sehr weit von einer Normalisierung entfernt sind. Die Wortmeldungen über Atomwaffen – ich glaube nicht, dass solche Worte seit der Kuba-Krise benutzt wurden. Ich bin ein wenig überrascht über die Reaktion – der EU, der westlichen Welt –, die weich und gewissermaßen nicht vorhanden ist. Ich denke, in Europa beginnen wir zu verstehen, dass sich die Welt verändert – aber sehr langsam.

Österreich drängt auf Dialog mit Moskau – ist Dialog möglich?

Wir müssen alle diplomatischen und politischen Mittel einsetzen. Aber ich denke auch, dass wir verstehen müssen, dass die Strategie gegenüber Russland beides beinhalten muss: Einbindung soweit es geht, aber auch Eindämmung, wenn wir sehen, dass sich Dinge nicht entwickeln. Wir haben unsere historischen Gründe, Dinge mit Vorsicht zu betrachten – nicht mit Hysterie, mit Vorsicht. Bisher schaffen wir es in der EU, eine gemeinsame Position zu finden – ich hoffe, dass wir es schaffen, sie zu halten.

Sind die Sanktionen angemessen? Sind sie zu schwach?

Wir hätten im Frühling 2014 bereits stärkere Entscheidungen treffen sollen – nach dem sogenannten Referendum auf der Krim. Leider haben wir die ersten starken Beschlüsse erst nach dem Abschuss von MH17 gefasst.

Und Waffenlieferungen?

Das ist kein Thema, über das EU oder NATO entscheiden können. Wir hoffen auf die Implementierung des Minsk-Abkommens. Wir sollten diesen Prozess vorantreiben, soweit mit politischen und diplomatischen Mitteln möglich. Wenn das scheitert, kann ich nicht ausschließen, dass einzelne Länder Waffen liefern. Was Lettland angeht, ist das eine theoretische Frage. Aber der einzige Weg, die Ukraine wirklich zu stärken, ist, ihren Reformweg zu stützen.

Sollte der Ukraine eine klare EU-Perspektive gegeben werden?

Wir haben darüber keine Einheit in der EU. Worauf wir uns konzentrieren müssen – dabei dürfen wir Moldawien und Georgien nicht vergessen –, sind jetzt die Assoziierungsabkommen. Ich denke, diese Abkommen werden nicht der letzte Schritt sein.

Manchmal sieht es so aus, als seien die baltischen Staaten sowie auch Polen in dieser Krise näher an den USA als zum Rest Europas. Stimmen Sie zu?

Ich würde sagen, dass wir sehr eng mit den USA zusammenarbeiten. Und lasst uns nicht vergessen, wir sind Vollmitglieder der EU seit elf Jahren. Ich wünsche mir sehr enge und effektive Kooperation zwischen EU und USA. Aber ich möchte keinen Widerspruch sehen, so nach dem Motto, wir sind näher an denen oder denen.

Würden Sie sagen, die Bedrohung durch Russland ist real?

Wir sind NATO-Mitglied. Ich denke nicht, dass die militärische Gefahr real ist. Aber wir sind das Schlachtfeld in einem Krieg um Herzen und Hirne. Und das ist nicht nur ein baltisches Problem. Wir sollten uns bewusst sein, dass es ein Land gibt, das derzeit die internationale Ordnung auf den Kopf stellen will. Das müssen wir ernst nehmen.

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