Sieben Tote pro Stunde: "Schlimmste Drogenkrise der US-Geschichte"
Bei Dave begann alles vor 20 Jahren mit einem Herzinfarkt, wochenlanger Bettruhe und einem schmerzhaften Blutgerinnsel am Bein. Um die Qualen des US-Amerikaners zu lindern, verschrieb ein Arzt dem heute 46-Jährigen Oxycontin. Das starke Schmerzmittel sorgte für sofortige Besserung.
Doch als Dave die Tabletten nach fünf Monaten absetzte, am Abend vor seinem ersten Tag zurück in der Arbeit, begann der Horror.
Schon am nächsten Morgen "ging es mir total dreckig", erzählt Dave in der ARD. "Mir war schwindelig, mein ganzer Körper tat weh, ich habe gezittert, musste mich übergeben und hatte zur selben Zeit Durchfall."
Was er nicht wusste: Oxycontin ist ein Opiat und macht ebenso abhängig wie Heroin.
Millionen Betroffene
Dave hat es inzwischen geschafft, seine Sucht in den Griff zu bekommen; nach 20 Jahren, in denen er von Arzt zu Arzt zog, um mit immer neuen Geschichten immer neue Opiate zu bekommen.
Doch Millionen andere Menschen in den USA sind weiter abhängig, von opiathältigen Schmerzmitteln und Heroin. Die genaue Zahl ist nicht bekannt, doch allein im Bundesstaat Ohio wurden im Vorjahr an 2,3 Millionen Patienten Opiate ausgegeben - das entspricht einem Fünftel der dortigen Bevölkerung.
Entsprechend dramatisch sind die Opferzahlen. In den USA starben 2016 rund 64.000 Menschen an einer Überdosis Drogen, die meisten durch Heroin oder ähnlich wirksame synthetische Drogen wie Fentanyl. Das sind sieben Tote pro Stunde. Wie dramatisch sich die Lage in den vergangenen Jahren zuspitzte, führt die New York Times auf ihrer Homepage eindrücklich vor Augen.
"Es sterben mehr Menschen durch Drogenmissbrauch als durch Schusswaffen und bei Verkehrsunfällen zusammen", sagte US-Präsident Donald Trump am Donnerstag. Er kündigte eine groß angelegte Aufklärungskampagne an, die sich sowohl an Bürger als auch an Ärzte richten und auf die Gefahren von Opiaten hinweisen werde.
"Leere Worte"
Diese Gefahren sind nach wie vor nicht ausreichend bekannt, auch unter Ärzten. Pharmafirmen, aber auch Medikamentenstudien hatten die Suchtgefahr lange als gering bezeichnet.
Trump wies das Gesundheitsministerium an, den nationalen Gesundheitsnotstand auszurufen. Die Behörden erhalten durch diesen Schritt einen größeren Handlungsspielraum bei der Bekämpfung dieser laut Trump "schlimmsten Drogenkrise der Geschichte".
Allerdings bekommen sie nicht - wie bei einem nationalen Notstand - automatisch mehr Geld, was Trump die Kritik von Experten einbrachte, außer Worten nichts zur Lösung der Opiatkrise anzubieten. Laut Experten währen Milliarden Dollar nötig, um den Kampf gegen die Epidemie wirklich aufnehmen zu können.
Lukratives Geschäft
Anders als früher sind es nicht Angehörige der Unterschicht, die die Drogenstatistiken prägen. Es sind Angehörige der Mittelschicht, denen oft zu leichtfertig verschriebene Opiate zum Verhängnis werden. Schaffen sie es nicht mehr, die Medikamente auf Rezept zu bekommen, greifen sie auf den Schwarzmarkt zurück, um ihre Entzugserscheinungen zu stoppen - und damit auf synthetische Opiate und auf Heroin.
Synthethische Opiate stammen oft aus China, Trump will den Import der Schmerzmittel drastisch reduzieren und weniger gefährliche Alternativen erforschen lassen.
Heroin stammt großteils aus Mexiko, wo die Drogenkartelle mit den amerikanischen Süchtigen das große Geld machen.
Allein im Süden des Bundesstaats Chihuahua vernichten rund 2000 Soldaten täglich bis zu 300 Schlafmohnfelder. Das gleicht allerdings einer Sisyphus-Arbeit, wie ein Oberst sagt: "An einem Tag vernichten wir ein Feld, am nächsten säen die Bauern neu aus."
Mit Schlafmohn, dem Ausgangsstoff für Heroin, lässt sich deutlich mehr verdienen als etwa mit Mais oder Bohnen. Für ein Kilo Opiummasse, gewonnen aus dem getrockneten Milchsaft der Pflanzen, zahlt das Sinaloa-Kartell nach mexikanischen Armeeangaben umgerechnet 1100 Euro. Ein Kilo Heroin erzielt dann in den USA 90.000 Euro.
Hier bringt Trump neuerliche seine Pläne für eine Mauer zu Mexiko ins Spiel. Diese werde auch Drogenhändler stoppen, sagt er.
Experten und Drogenfahnder sind da nicht so sicher.
Kommentare