EU

Sofort-Stopp für Billig-Chinesen Shein: Frankreich riskiert, die EU zögert

FILE PHOTO: China's online retail giant Shein opens its first permanent shop at Paris department store
Nach dem Skandal um kindliche Sex-Puppen stoppt Frankreich die Geschäfte der Online-Plattform. Auch die EU-Kommission überlegt Maßnahmen - schiebt sie aber vor sich her.

Es ist ein gewagter Schritt und er könnte - so analysieren französische Rechtsexperten - auch zum rechtlichen Umfaller werden. Frankreichs Regierung hat einen sofortigen Stopp des Geschäfts der chinesischen Online-Plattform Shein verfügt. Der Konzern hat reagiert, seine Aktivitäten in Frankreich vorerst eingestellt, will aber juristisch gegen die Entscheidung vorgehen. 

Auslöser waren Sexpuppen mit kindlicher Statur, die offensichtlich über die Plattform EU-weit angeboten worden waren. Der Skandal flog gerade zu dem Zeitpunkt auf, als Shein in Paris sein erstes Geschäft in Europa eröffnete. Hunderte versammelten sich am Mittwoch zu Protesten vor den Eingängen des traditionsreichen Kaufhauses BHV in der Rue de Rivoli im Herzen der Stadt.

Die gesamte Ware überprüfen - eine kaum erfüllbare Forderung

Frankreichs Regierung verlangt von Shein, wie auch von anderen chinesischen Billig-Plattformen, dass diese ihr gesamtes Warenangebot überprüfen, ob es den in Frankreich geltenden Vorschriften entspricht. Eine juristisch heikle Forderung, wie auch Experten in der EU-Kommission bestätigen, schließlich treten Plattformen wie Shein nur als Vermittler von Geschäften auf. Ursprünglich haftbar sind die Produzenten. 

Wie viel Verantwortung die Plattformen trotzdem zu tragen haben, wird auch in Brüssel seit längerem untersucht. Die seit zwei Jahren geltenden EU-Gesetze für digitale Dienste DMA und DSA machen große digitale Plattformen - mit mehr als 45 Millionen monatlichen Nutzern - für ihr Angebot verantwortlich. Shein und Temu, die zusammen 12 Millionen Pakete in die EU liefern, fallen in diese Kategorie. Der Vorstoß der französischen Regierung ist trotzdem europaweit der erste Versuch, die Plattformen tatsächlich für die gehandelten Waren haftbar zu machen, aber er ist, wie die Tageszeitung Le Monde urteilt, "nicht ohne Risiko".

Verstöße, vor allem gegen Gesundheitsschutz und Sicherheit 

Der Skandal um die Sexpuppen ist nur einer der unzähligen Verstöße gegen EU-Gesetze, die bei Shein und Temu regelmäßig nachgewiesen werden. So haben erst vor wenigen Tagen die österreichische Arbeiterkammer und die Umweltschutzorganisation Global 2000 das Ergebnis einer gemeinsamen Untersuchung veröffentlicht, in der bei Kleidung von Shein giftige Chemikalien nachgewiesen wurden, die die gesetzlichen Grenzwerte um mehr als das Tausendfache überschreiten. 

Ähnliches gilt für Spielzeug, auch für Kleinkinder und Babys, die auf den Plattformen  gehandelt werden. Kontrollen zeigen, dass viele Produkte, entweder ebenfalls gesundheitsschädliche Konzentrationen von Chemikalien enthalten, oder ein Sicherheitsrisiko darstellen, etwa indem sie splittern, oder von Babys verschluckt werden können. Auch in der EU-Kommission in Brüssel werden diese Vorwürfe behandelt, zu konkreten rechtlichen Schritten haben sie aber noch nicht geführt.

Das Schlupfloch stammt aus den 1960er-Jahren

Das Problem ist eine uralte EU-Regelung, die den chinesischen Billiganbietern die Tür nach Europa weit öffnet. Seit den 1960er-Jahren sind Pakete aus vielen Ländern in Übersee, darunter eben auch China, von Zöllen und Abgaben befreit, wenn der Wert des Inhalts 150 Euro nicht überschreitet. Einst gedacht, um den Kleinhandel mit dem damals wirtschaftlich rückständigen China zu erleichtern, dient die Regelung heute Temu und Shein, um rund 10 Milliarden Pakete fast völlig unkontrolliert nach Europa zu schicken. Die Zollbehörden in den EU-Ländern sind mit der Warenflut ohnehin überfordert. Weniger als ein Promille der Pakete werden auf ihren Inhalt kontrolliert

Die EU-Kommission hat beschlossen, diese Regelung zu ändern. Schlagend soll das allerdings erst 2028 werden. Grund für die Verzögerung ist die Uneinigkeit über das weitere Vorgehen nach der Aufhebung. So wird etwa überlegt, um die Aufgabe für die Zollbehörden bewältigbar zu machen, eine pauschale Gebühr von zwei Euro für jedes Paket einzuheben.

Das würde der EU zwar zusätzliche Einnahmen bringen, löst aber das Problem mit gesundheitsschädlicher Kleidung, oder Spielzeug nicht. Dazu kommt das Problem mit den dramatisch anwachsenden Mengen von Textilabfall in Europa, vorangetrieben vor allem von den Online-Anbietern aus China: Deren Produkte sollen mit einem besonders hohen Preisaufschlag belegt werden, um die Kosten für das Recycling zu finanzieren. Wie und wo die EU-Staaten diese Gebühren einheben sollen, ist ebenfalls noch völlig unklar.

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