Nach Bahnhofsdach-Einsturz: Proteste in Serbien dauern bereits 10 Monate an

SERBIA-JUSTICE-CORRUPTION-DEMO
In Novi Sad gedenken Demonstrierende der 16 Menschen, die vor zehn Monaten beim Einsturz des Vordachs eines Bahnhofs ums Leben kamen.

In der serbischen Stadt, in der sich das Unglück ereignet hat, versammeln sich Bürgerinnen und Bürger heute, am 1. September 2025, um 11:52 Uhrdem Zeitpunkt des Einsturzes vor einem Jahr – zu einer 16-minütigen Schweigeminute. Zum Unfallzeitpunkt hatte der Bahnhof in Novi Sad nach Renovierungsarbeiten noch gar keine Nutzungsgenehmigung.

Zu heftigen Auseinandersetzungen kam es bereits in den frühen Morgenstunden, als der Dekan der Fakultät für Sport und Leibeserziehung (DIF) in Novi Sad, Patrik Drid, das Gebäude in Begleitung der Polizei betrat. 

Die studentische Vereinigung "Slobodan univerzitet" (zu Deutsch: "Freie Universität") verurteilte Drids Auftreten unter polizeilichem Schutz. Die Anwesenheit der Beamten sei rechtlich unbegründet und basiere "auf dem politischen Willen, Repressionen gegen Studierende zu normalisieren und zu institutionalisieren", heißt es in einer Erklärung der Organisation.

Beamten in Kampfausrüstung vor Uni in Novi Sad

Laut serbischen Medienberichten sollen Studierende am Montag die Fenster der Fakultät eingeschlagen und so das Gebäude betreten haben. Gegen 9.00 Uhr früh soll es zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen Zivilisten und der Polizei gekommen sein. Das Uni-Gebäude ist seit dem Morgen von Beamten in Kampfausrüstung abgesperrt. 

Bereits im April 2025 versuchte die Polizei, studentische Proteste vor dem DIF zu unterbrechen, damals wollte Dekan Drid ebenfalls die Universität betreten. Die Polizei setzte dabei Gewalt gegen Studierende und Bürgerinnen und Bürger ein, die sich versammelt hatten.

Auch an der Philosophischen Fakultät sind Beamte im Einsatz – seit dem 26. August 2025 stehen dort Polizisten. Ab dem 1. September beginnt die Prüfungsphase an der Universität, weshalb die Regierung vermutlich mit vermehrten Demonstrationen rechnet.

Disziplinarmaßnahmen gegen Studierende

Im Dezember 2024 wurde die Philosophische Fakultät in Novi Sad als erste von Studierenden blockiert, weitere Fakultäten folgten – insgesamt forderten 60 Fakultäten landesweit die Regierung zum Handeln auf. Mehr als 160 Universitätslehrende und -mitarbeiter unterzeichneten eine Petition gegen den Dekan der Philosophischen Fakultät, Milivoj Alanović, berichtet Slobodna Evropa. Seit Beginn der Proteste hat Alanović den Studierenden mit Disziplinarmaßnahmen gedroht.

Zudem setzte er Studierende, gegen die bereits Verfahren eingeleitet wurden, unter Druck. Sollten sie sich den anhaltenden Blockaden an den Fakultäten aber entziehen, würden die laufenden Verfahren gegen sie eingestellt.

Größte Proteste seit den 90er Jahren

In Serbien dauern die Proteste seit zehn Monaten an, viele Menschen gehen seitdem fast täglich auf die Straße und protestieren gegen Korruption und Misswirtschaft. Es sind die größten Proteste in Serbien seit den 90er-Jahren, die die derzeitige Regierung immer mehr unter Druck setzen. 

Serbiens Präsident Aleksandar Vučić hingegen bezeichnete die Demonstrierenden als "Terroristen", die Proteste seien "vom Ausland gesteuert". 

Vorwürfe, er handele wie ein Diktator, weist Vučić stets zurück. Auch die Vorstellung, Serbien sei "ein Mann", sei falsch und gefährlich. "Ich habe das nicht alleine geschafft", so Vučić, sondern "mit einem Team von guten Leuten". Vučić gab außerdem bekannt, dass er seine Karriere als Präsident in einem Jahr beenden werde. Der serbische Präsident lehnte eine Vorverlegung der Wahl bisher dezidiert ab. Allerdings deutete er wiederholt an, dass diese vor der gesetzlichen Frist Ende 2027 stattfinden werde, eventuell bereits Ende 2026. Laut Verfassung kann Vučić nicht ein drittes Mal antreten.

In der serbischen Hauptstadt Belgrad ist für Montagabend um 18:30 Uhr ein Gedenkmarsch angekündigt. Dieser wird von Studierenden und Schülerinnen und Schülern organisiert.

Kommentare