Selenskij beklagt Hunderte russische Angriffe

Aftermath of the overnight Russian combined shelling of Ukraine
Russland hat die Ukraine mit mehr als 50 Raketen und Marschflugkörpern sowie rund 500 Drohnen angegriffen.

Zusammenfassung

  • Bei schweren russischen Luftangriffen auf die Ukraine wurden mindestens fünf Menschen getötet und zehn verletzt, über 50 Raketen und rund 500 Drohnen kamen zum Einsatz.
  • In Lwiw brach nach Angriffen ein Großbrand in einem Industriepark aus, es gab keine Verletzten und keine militärischen Ziele auf dem Gelände.
  • Polen versetzte seine Luftstreitkräfte in Einsatzbereitschaft, beobachtete jedoch keine Verletzung seines Luftraums.

Bei neuen schweren russischen Luftangriffen auf die Ukraine sind nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskij mindestens fünf Menschen getötet und weitere zehn verletzt worden. 

Russland habe bei einem kombinierten Angriff auf das Land mehr als 50 Raketen und Marschflugkörper sowie rund 500 Drohnen eingesetzt, teilte Selenskij am Sonntag in sozialen Netzwerken mit. Laut Behörden starben allein in der Region Lwiw (Lemberg) im Westen der Ukraine vier Menschen. Es handle sich um eine vierköpfige Familie, die ausgelöscht worden sei; unter den Toten sei auch ein Mädchen, teilte Außenminister Andrij Sybiha bei X mit. Um den Terror zu stoppen, brauche es stärkeren transatlantischen Druck auf Russland. Sybiha sagte auch, wer von Russland Energie kaufe, finanziere die Verbrechen gegen die Ukraine mit.

Mehrere Regionen betroffen

Betroffen gewesen seien unter anderem auch die Regionen Saporischschja, Sumy, Charkiw, Odessa und Cherson, teilte Selenskij weiter mit. Russland nahm demnach einmal mehr für die Regionen lebenswichtige Infrastruktur unter Beschuss. Vielerorts liefen die Rettungs- und Wiederaufbauarbeiten, so der ukrainische Präsident.

"Wir brauchen mehr Schutz und eine schnellere Umsetzung aller Verteidigungsvereinbarungen, insbesondere im Bereich der Flugabwehr, um diesem Luftterror den Sinn zu nehmen", sagte Selenskij. Möglich sei ein Waffenstillstand am Himmel, teilte der Präsident mit, ohne Details zu nennen. Das könne den Weg für echte Diplomatie ebnen. Amerika und Europa müssten nun handeln, um den russischen Staatschef Wladimir Putin zum Einlenken zu zwingen.

Lwiw im Visier

Einem Sprecher des staatlichen Rettungsdienstes zufolge handelte es sich wahrscheinlich um den bisher schwersten Angriff auf Lwiw seit Beginn des Krieges. In der gleichnamigen Regionalhauptstadt stand ein Industriegebiet in Flammen, es kam zu Stromausfällen, wie Bürgermeister Andrij Sadowyj mitteilte. Löschkräfte kämpften gegen mehrere Brände.

In der südostukrainischen Region Saporischschja kam den Behörden zufolge ein Mensch ums Leben, zehn weitere wurden verletzt. Dort waren nach dem Angriff mehr als 73.000 Haushalte ohne Strom, wie Gouverneur Iwan Fedorow mitteilte. Auch in den Regionen Iwano-Frankiwsk, Winnyzja, Tschernihiw, Cherson, Charkiw und Odessa sei zivile Infrastruktur beschädigt worden, erklärte Ministerpräsidentin Julija Swyrydenko. "Ein weiterer vorsätzlicher Terrorakt gegen Zivilisten", schrieb sie auf der Online-Plattform X. Auch die Stromversorgung in der nördlichen Region Sumy war dem Energieministerium zufolge beeinträchtigt.

Russland: Energieinfrastruktur beschossen

Das russische Verteidigungsministerium bestätigte den Einsatz der von Kiew genannten Waffensysteme. Gerichtet gewesen seien die Angriffe gegen die Energieinfrastruktur der Ukraine, teilte das Ministerium in Moskau mit. Ziel seien zudem auch militärische Stellungen gewesen, darunter ein Artilleriesystem des Mehrfachraketenwerfers HIMARS in der Region Charkiw. Alle anvisierten Ziele seien vernichtet worden. Eine Bestätigung der Ukraine gab es - wie üblich - nicht. Unabhängig überprüfbar sind die Angaben der Kriegsparteien nicht.

Bereits in der Nacht auf Samstag hatte Russland die Gasinfrastruktur des Landes massiv unter Beschuss genommen. Die Ukraine warf Russland vor, so die Heizungssysteme des Landes in der kalten Jahreszeit zerstören zu wollen. Immer wieder stürzt Russland die Menschen in dem Land im Herbst und Winter mit Angriffen in Kälte und Dunkelheit.

Moskaus Attacken gelten auch als Reaktion auf die jüngsten ukrainischen Drohnenschläge gegen russische Ölraffinerien und Treibstoffdepots in vielen Teilen des Landes. Die Angriffe haben inzwischen zu einem Mangel an Benzin und Diesel geführt, weshalb Russland sein Exportverbot für diese Kraftstoffe bis Jahresende verlängert hat.

Polen setzte erneut Kampfjets ein

Das NATO-Mitglied Polen setzte erneut Kampfjets ein, um seinen Luftraum zu sichern. Auch Flugzeuge von NATO-Verbündeten seien im Einsatz gewesen, teilte das polnische Einsatzkommando am Sonntag auf X mit. Bodengestützte Luftabwehr- und Radaraufklärungssysteme seien in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden. "Wir möchten Sie darüber informieren, dass keine Verletzung des polnischen Luftraums beobachtet wurde", hieß es in einer Mitteilung.

Die Lage in der Ukraine werde ständig überwacht, um die Sicherheit des polnischen Luftraums zu verteidigen, teilte das Militär mit. Es ist bereits seit vielen Monaten Routine, dass Polen während Luftangriffen auf die Westukraine vorsorglich Kampfjets aufsteigen lässt.

Die NATO-Mitglieder an der Ostflanke sind in besonderer Alarmbereitschaft, seit Polen im September mutmaßlich russische Drohnen in seinem Luftraum abgeschossen hat und es in Europa wiederholt zu Störungen im Flugverkehr durch Drohnensichtungen kam. Russland führt gegen die Ukraine seit mehr als dreieinhalb Jahren einen zerstörerischen Angriffskrieg.

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