Gefechte um AKW Saporischschja

Gefechte um AKW Saporischschja
Die Lage beim AKW Saporischschja spitzt sich weiter zu. Sonntagabend schlugen mehrere Artilleriegeschosse in der Stadt Enerhodar ein.

Tag 187 im Ukraine-Krieg:

Im südukrainischen Gebiet Cherson sollen ukrainische Truppen am Montagvormittag die russischen Frontlinien durchbrochen haben. "Die Streitkräfte der Ukraine haben Offensivhandlungen in vielen Abschnitten im Süden der Ukraine begonnen", zitierte das Internetportal Hromadske die Pressesprecherin der Südgruppe der ukrainischen Armee, Natalija Humenjuk.

Demnach sollen Einheiten der Donezker Separatisten und unterstützender russischer Marineinfanterie zum Rückzug gezwungen worden sein. Genauere Ortsangaben wurden nicht gemacht. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Russland hatte vor etwas mehr als sechs Monaten eine Invasion der Ukraine begonnen. Seitdem eroberte es große Teile der Süd- und Ostukraine. Die ukrainische Führung nährt seit Juni Hoffnungen auf eine größere Gegenoffensive im Süden.

Gefechte um AKW Saporischschja

Die Lage am russisch besetzten Kernkraftwerk Saporischschja in der Ukraine spitzt sich weiter zu. Am Sonntagabend schlugen angeblich mehrere Artilleriegeschosse in der Stadt Enerhodar ein, in der die Kraftwerksbediensteten wohnen.

Wie in den Tagen zuvor machten die russische und die ukrainische Seite sich gegenseitig für den Beschuss verantwortlich. Videos beider Seiten zeigten, dass in Wohnvierteln zahlreiche Autos brannten. 

Nach wochenlangem Gezerre um eine unabhängige Inspektion des Atomkraftwerks ist nun ein internationales Experten-Team auf dem Weg zu der wiederholt beschossenen Anlage.

Durch den nächtlichen Beschuss auf Enerhodar seien neun Menschen verletzt worden, zwei von ihnen schwer, teilte Wladimir Rogow, Mitglied der Besatzungsverwaltung, in der Nacht zu Montag mit. Der geflüchtete ukrainische Bürgermeister von Enerhodar, Dmytro Orlow, sprach von einer Provokation: Russische Truppen hätten geschossen. Er warf Moskau „nukleare Erpressung“ vor, weil sich russische Truppen in dem AKW verschanzen.

Drohne abgeschossen

Wenige Stunden zuvor hatten russische Truppen angeblich eine bewaffnete ukrainische Drohne direkt über einem der sechs Reaktoren abgeschossen. Das Fluggerät sei auf die Sicherheitshülle eines Reaktors gefallen. Die Sprengstoffladung sei detoniert, ohne Schaden anzurichten. Diese Angaben waren nicht unabhängig zu überprüfen. Unterstellt wurde, dass die Drohne ein Lager für abgebrannte Brennstäbe treffen sollte.

Die internationale Gemeinschaft befürchtet einen möglichen nuklearen Unfall durch die Kämpfe am größten Kernkraftwerk Europas. Vergangene Woche hatten sich zwei Reaktoren notabgeschaltet, weil die Stromversorgung zeitweise ausfiel.

Experten wollen AKW Saporischschja inspizieren

Ein internationales Experten-Team ist nach langem Ringen um eine unabhängige Inspektion nun  auf dem Weg ins AKW. "Wir müssen die Sicherheit der größten ukrainischen und europäischen Nuklearanlage gewährleisten", schrieb der Chef der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA), Rafael Grossi, am Montag auf Twitter.

Die IAEA-Delegation unter seiner Leitung werde in dieser Woche in Saporischschja ankommen. Ein genauer Termin wurde zunächst nicht bekannt.

Wegen des wiederholten Beschusses des AKW, für den sich die Ukraine und Russland gegenseitig verantwortlich machen, wächst die Angst vor einer Atomkatastrophe wie 1986 in Tschernobyl.

Selenskij: Auf jeden Angriff folgt eine Antwort

Entlang der Front und aus mehreren Regionen im ukrainischen Hinterland wurden am Sonntag russische Angriffe gemeldet. Präsident Wolodymyr Selenskij beriet mit Militär und Sicherheitsapparat über die nächsten Schritte zur Abwehr der Invasion.

Details nannte er nicht, kündigte aber an: „Die Besatzer werden die Folgen spüren in den weiteren Aktionen unserer Verteidiger.“ Kein Angriff auf ukrainische Städte werde unbeantwortet bleiben, sagte Selenskij: "Saporischschja, Orichiw, Charkiw, Donbass - sie werden für alle eine Antwort bekommen."

Riwne angegriffen

Das Gebiet Riwne im Norden der Ukraine wurde Sonntagabend mit russischen Raketen angegriffen. Aktivisten aus dem Nachbarland Belarus brachten den Angriff in Zusammenhang mit dem Start mehrerer russischer Kampfflugzeuge von Flugplätzen in Belarus.

Der dortige Machthaber Alexander Lukaschenko stellt den russischen Truppen sein Land als Aufmarschgebiet gegen die Ukraine zur Verfügung. Auch im Zentrum der ostukrainischen Großstadt Charkiw schlugen am Sonntagabend zwei Raketen ein, wie Bürgermeister Ihor Terechow mitteilte. Ein Verwaltungsgebäude sei zerstört worden.

Dutzende Orte entlang der mehr als 2000 Kilometer langen Frontlinie seien von russischen Panzern, Rohr- und Raketenartillerie beschossen worden, teilte der ukrainische Generalstab mit. An mehreren Stellen im Donbass seien russische Sturmangriffe abgewehrt worden.

Kreml bereitet den Boden für Referenden über Anschluss

Russland steuert weiter auf einen Anschluss der besetzten Gebiete in der Ukraine mithilfe von Volksabstimmungen zu. Der ranghohe Kreml-Beamte Sergej Kirijenko stellte eine Zahl in den Raum, wonach in den prorussischen Separatistengebieten Donezk und Luhansk 91 bis 92 Prozent der Bevölkerung für einen Beitritt zu Russland seien. In den seit Februar eroberten Gebieten Cherson und Saporischschja seien es 75 bis 77 Prozent. Kirijenko bezog sich dabei Umfragen in der Region, die angeblich diese Ergebnisse zeigten.

„Die Entscheidung steht an“, sagte der Vizechef des Präsidialamtes. Präsident Wladimir Putin habe immer gesagt, dass die Entscheidung bei den Menschen in der Region liege und Russland deren Wahl achten werde. In russischen wie ukrainischen Medien wird immer wieder über Volksabstimmungen in den besetzten Gebieten im September spekuliert. Das russische Online-Portal Medusa, das aus Lettland agiert, berichtete unter Berufung auf Quellen im Kreml, dass die Zustimmung für einen Beitritt viel niedriger liege.

EU will Einreise von Russen erschweren

Die Europäische Union bereitet nach einem Bericht der Financial Times wegen des Kriegs in der Ukraine die Einschränkung von Einreisemöglichkeiten für russische Staatsbürger vor. Der Zeitung zufolge wollen die EU-Außenminister bei einem informellen Treffen am Dienstag und Mittwoch in Prag beraten, ob eine Vereinbarung über die vereinfachte Erteilung von Visa aus dem Jahr 2007 ausgesetzt wird. Vor allem die baltischen Staaten und Polen drängen auf eine Einreisesperre. Deutschland und Österreich lehnen dies ab.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hielt ein Einreiseverbot in die EU für „keinen guten Vorschlag“. Im ORF warnte er davor, den Kontakt zur russischen Zivilbevölkerung vollständig zu kappen.

EU-Außenbeauftragter zu weiteren Sanktionen

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