Russische Truppen bei Sjewjerodonezk zurückgeschlagen

Russland setzt die Angriffe auf Sjewjerodonezk fort
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij hat 100 Tage nach dem russischen Einmarsch in sein Land indes den Glauben an den Sieg beschworen.

101 Tage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine: 

Um Sjewjerodonezk im Osten derUkraine wird weiter erbittert gekämpft. Russland verstärke seine Truppen rund um die Industriestadt, teilte der ukrainische Generalstab am Samstag mit. Bei den Angriffen auf die strategisch wichtige Stadt werde Artillerie eingesetzt.Ukrainische Einheiten hielten weiterhin ihre Stellungen in der Stadt und drängten russische Soldaten an mehreren Stellen
zurück, sagte der Gouverneur der ostukrainischen Region Luhansk, Serhij Gaidai, im Fernsehen. Russische Soldaten sprengten Brücken in Sjewjerodonezk, um zu verhindern, dass militärische
Ausrüstung und Hilfe für die Zivilisten in die Stadt gebracht werden könnten.

Etwa ein Fünftel des an die russische Armee verlorenen Gebietes der Stadt sei wieder unter ukrainischer Kontrolle. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben nicht.Gouverneur Gaidai sagte im ukrainischen Fernsehen, es sei nicht realistisch, dass Sjewjerodonezk in den kommenden zwei Wochen fallen werde. „Sobald wir genügend westliche Langstreckenwaffen haben, werden wir ihre Artillerie von unseren Stellungen wegdrängen. Und dann, glauben Sie mir, die russische Infanterie, sie werden einfach rennen.

“Nach Erkenntnissen des britischen Militärgeheimdienstes hält das russische Militär seine Artillerie- und Luftangriffe im Osten der Ukraine auf einem hohen Niveau. „Der verstärkte Einsatz von ungelenkter Munition hat zur großflächigen Zerstörung bebauter Gebiete im Donbass geführt und mit ziemlicher Sicherheit erhebliche Kollateralschäden und zivile Opfer verursacht“, teilte das Verteidigungsministerium unter Verweis auf den regelmäßigen Geheimdienstbericht auf Twitter mit. Russland habe seine taktischen Luftangriffe verstärkt, um den langsamen Vormarsch zu unterstützen. Zum Einsatz kämen Kampfflugzeuge und Artillerie.

Firtasch warnt vor zweitem Mariupol

Angesichts der dramatischen Situation in Sjewjerodonezk warnte der in Wien lebende ukrainische Oligarch Dmytro Firtasch vor der Wiederholung eines Szenarios wie in Mariupol. Firtaschs Holding GroupDF besitzt die Swjewjerodonezker Chemiefabrik Asot, in deren Bunkern sich 800 Zivilisten aufhalten sollen, darunter 200 Fabrikarbeiter. Russland müsse den laufenden Angriff bedingungslos einstellen, forderte der Ukrainer am Samstag laut einer Aussendung.

Trotz des verstärkten Angriffs russischer Truppen seien 200 Mitarbeiter in der Stickstofffabrik geblieben, um die Reste von dort lagernden "hochexplosiven Chemikalien" bestmöglich zu sichern und professionell zu schützen, hieß es in der Aussendung. Ein Großteil des in der Anlage gelagerten Stickstoffs sei jedoch rechtzeitig aus dem Konfliktgebiet evakuiert worden.

London: "Einsatz von ungelenkter Munition"

Nach Erkenntnissen des britischen Militärgeheimdienstes hält das russische Militär seine Artillerie- und Luftangriffe im Osten der Ukraine auf einem hohen Niveau. "Der verstärkte Einsatz von ungelenkter Munition hat zur großflächigen Zerstörung bebauter Gebiete im Donbass geführt und mit ziemlicher Sicherheit erhebliche Kollateralschäden und zivile Opfer verursacht", teilte das Verteidigungsministerium unter Verweis auf den regelmäßigen Geheimdienstbericht auf Twitter mit. Russland habe seine taktischen Luftangriffe verstärkt, um den langsamen Vormarsch zu unterstützen. Zum Einsatz kämen Kampfflugzeuge und Artillerie.

Angriffe im Süden

Auch im Süden der Ukraine setzte das russische Militär seine Angriffe fort. In der Region Odessa habe am Samstagmorgen eine Rakete ein landwirtschaftliches Lager getroffen, schrieb ein Sprecher der Regionalregierung auf Twitter. Zwei Menschen seien verletzt worden.

Zudem wurden bei einem Angriff auf die Region Charkiw im Nordosten am Freitag zwei Menschen getötet. Zwei weitere seien verletzt worden, als ein ziviles Ziel von russischer Seite beschossen worden sei, meldete die ukrainische Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf Rettungskräfte.

Selenskij beschwört Glaube an Sieg der Ukraine

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij hat 100 Tage nach dem russischen Einmarsch in sein Land den Glauben an den Sieg beschworen. Es gebe drei Dinge, für die seine Landsleute kämpften: Frieden, Sieg, Ukraine, sagte Selenskij am Freitag in seiner Videoansprache. Diese wurde unter freiem Himmel vor seinem Amtssitz in Kiew aufgenommen. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am 24. Februar den Angriff auf das Nachbarland befohlen. Der Samstag ist für die Ukraine also der 101. Tag des Krieges.

"Vor genau 100 Tagen sind wir in einer neuen Realität aufgewacht", sagte Selenskij in der Ansprache. Er beschrieb die Erfahrung des Krieges anhand von 100 Wörtern, die Ukrainerinnen und Ukrainer hätten lernen müssen. Dazu zählten schreckliche Begriffe wie Raketentreffer, Ruinen, Deportation. Mit Kriegsgräueln verbundene Ortsnamen seien dazugekommen wie Hostomel, Butscha oder Mariupol, die Bezeichnungen russischer, ukrainischer und ausländischer Waffensysteme. Aber es gebe auch positive besetzte Worte: Wiederaufbau, Rückkehr, Befreiung.
Vor dem Angriff habe die russische Armee den Ruf als zweitstärkste der Welt gehabt, sagte Selenskij. "Was ist von ihr geblieben?", fragte er: "Kriegsverbrechen, Schande und Hass." Die Ukraine aber habe bestanden, sie bestehe und werde bestehen.

Verhandlungspause 

Der Kiewer Chefunterhändler Dawyd Arachamija sagte im ukrainischen Fernsehen: "Die Verhandlungen sollen fortgesetzt werden, wenn unsere Verhandlungsposition gestärkt ist." Die Ukraine werde vor allem dadurch stärker, "dass die Waffen, die uns von internationalen Partnern ständig versprochen werden, endlich in ausreichender Menge eintreffen".

Der Fraktionsvorsitzende der Präsidentenpartei Diener des Volkes hatte die Kiewer Delegation in Gesprächen mit Russland in den ersten Wochen des Krieges geführt. Der Kontakt verebbte aber, als nach dem Abzug russischer Soldaten Gräueltaten in Kiewer Vororten wie Butscha bekannt wurden. Selenskij will erst wieder verhandeln, wenn russische Truppen sich auf ihre Positionen vor Kriegsbeginn zurückziehen. Er will auch mit Putin direkt sprechen, was Russland bislang ablehnt.

Rufe nach Ende der Getreideblockade

Eine Folge des Krieges ist der Ausfall ukrainischer Getreidelieferungen, der vor allem in Afrika zu Hungersnöten zu führen droht. Der Präsident der Afrikanischen Union (AU), Macky Sall, pochte bei einem Treffen mit Putin am Freitag darauf, die Blockade der Ausfuhren zu beenden. Seiner Interpretation des Gesprächs nach zeigte sich Putin bereit, den Export von Weizen und Düngemitteln auf den afrikanischen Kontinent zu gewährleisten.

Putin wies jede Verantwortung für die Getreideknappheit auf dem Weltmarkt zurück. Die Krise habe schon vor dem Krieg begonnen, der nach offizieller Sprachregelung in Russland militärische Spezialoperation genannt wird. Nicht sein Land verhindere einen Export von Weizen aus der Ukraine, sagte Putin im Fernsehen. Die Ukraine solle die Minen vor ihren Häfen an der Schwarzmeer-Küste entfernen. Die russische Armee werde dies nicht für Angriffe ausnutzen, versprach er.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sagte, die Ukraine sei bereit, wieder Getreide über den Hafen Odessa zu exportieren. Es gebe aber keine Garantie Russlands, dies nicht zu einem Angriff zu nutzen. "Wir suchen Lösungen mit den UN und anderen Partnern."

Lawrow in Belgrad

Der russische Außenminister Sergej Lawrow wird am Samstag zu einem Besuch in Belgrad erwartet - der Hauptstadt Serbiens, das seit den 1990er Jahren enge Beziehungen zu Russland pflegt. Bei Energieträgern wie Gas und Öl ist das Balkanland stark abhängig von der östlichen Großmacht. Den EU-Sanktionen gegen Russland schloss es sich bisher nicht an. Die Europäische Union wiederum sieht den engen Draht des Beitrittskandidaten Serbien nach Moskau mit Argwohn.

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