Mikl-Leitner: Humanitäre Krise in Österreich

Falls Bayern wie angekündigt Flüchtlinge zurückschickt. Grenzkontrollen der Tschechen schon ab Sonntag?

Bayern will künftig Flüchtlinge nach Österreich zurückschicken. Dies sagte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer der Bild-Zeitung. Angesichts der stark steigenden Zahl von Flüchtlingen will Bayern am Freitag in einer Sondersitzung des Kabinetts "Notwehr-Maßnahmen" beschließen. Dabei geht es um Integration, Bildung und Ausbildung", sagte Seehofer (Bild unten). "Hinzu kommen ausdrücklich auch Maßnahmen der Notwehr zur Begrenzung der Zuwanderung, wie etwa Zurückweisungen an der Grenze zu Österreich und unmittelbare Weiterleitung neu eintreffender Asylbewerber innerhalb Deutschlands", sagte der CSU-Politiker. Wie schon heute berichtet hatte zuvor Bayerns Innenminister Joachim Herrmann von einer "Rückweisung von Flüchtlingen direkt an der Grenze" gesprochen.

Mikl-Leitner: Humanitäre Krise in Österreich
epa04909220 Bavarian Prime Minister Horst Seehofer arives for a meeting of the Bavarian cabinet in Munich, Germany, 02 September 2015. The cabinet of German federal state Bavaria meets for a special meeting due to discuss the refugee crisis. EPA/SVEN HOPPE

Österreich wird nach Worten von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner "intensiver, umfassender zu kontrollieren beginnen", wenn Bayern den Flüchtlingsstrom aus Österreich verlangsamt. Dies sagte die Innenministerin am Donnerstagabend vor Beratungen der EU-Außen- und Innenminister in Luxemburg zur Flüchtlingskrise.

Humanitäre Krise

Wenn Deutschland beginne, "die Flüchtlinge nach Österreich zurückzuschieben, dann droht unserem Land eine humanitäre Krise neuen Ausmaßes", sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner am Donnerstagabend in einer Stellungnahme gegenüber der APA.

Grenzkontrollen lösen nach den Worten von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner das gegenwärtige Flüchtlingsproblem nicht. Es brauche eine europäische Lösung durch Sicherung der EU-Außengrenze sowie "Hotspots" zur vollständigen Registrierung und Verteilung der Flüchtlinge auf die EU-Staaten, sagte sie Donnerstagabend in Luxemburg. "Wir wissen, dass wir zur Normalität zurückkehren müssen, dass wir so schnell wie möglich die Hotspots zum arbeiten bringen müssen. Das ist die einzige Chance", sagte Mikl-Leitner zur Ankündigung, dass Bayern Flüchtlinge nach Österreich zurückschicken will.

Tschechien überlegt Grenzkontrollen

Tschechien könnte bereits am Sonntag seine Grenzen wegen des Flüchtlingsstroms schließen und wieder Grenzkontrollen einführen sowie Zugverbindungen aus Österreich unterbrechen. Entsprechende Absichten bestätigte Innenminister Milan Chovanec gegenüber der Tageszeitung "Pravo".

Bereits ab Samstag will Tschechien an der Grenze zu Österreich verschärft kontrollieren und stichprobenartige Kontrollen durchführen. Alle 20 Grenzübergänge (statt wie bisher 14) sollen besetzt werden.

Der tschechische Nachrichtenserver "iDnes.cz" hatte am Donnerstag unter Berufung auf das Prager Innenministerium berichtet, Grund dafür sei, dass Österreich angeblich die Schließung seiner Grenzen vorbereite. In diesem Fall wäre Tschechien bereit, seine Grenzen innerhalb von fünf Stunden ebenfalls zu schließen, hieß es. Innenminister Chovanec sagte gegenüber "Pravo", man habe "aus diplomatischen Quellen Informationen, wonach es dazu (Schließung der österreichischen Grenzen, Anm.) nach den Wahlen in Wien kommen könnte, die jetzt am Wochenende stattfinden." Falls sich Österreich dazu entschließen sollte, würde auch Tschechien wieder Kontrollen an der tschechisch-österreichischen Grenze einführen, so Chovanec.

In Österreich gebe es zig-tausende Flüchtlinge, die nach Deutschland reisen wollten, so Chovanec. Tschechien könnte so zum Transitland werden. "Wir würden alles tun, um das zu verhindern", sagte der Minister. "Dies würde bedeuten, Grenzkontrollen wiedereinzuführen und eventuell auch Züge zu stoppen", fügte Chovanec hinzu.

Ein ÖBB-Sprecher sagte auf Anfrage der APA, man wisse nichts von tschechischen Plänen, Züge zu stoppen.

Zu Berichten aus Tschechien, dass Prag auch wieder Grenzkontrollen einführen könnte, falls Österreich sich dazu entschließen sollte, sagte Mikl-Leitner: "Das zeigt, dass wir uns in einer hochkritischen Phase befinden, wo jede Entscheidung einen Dominoeffekt auslösen kann. Umso mehr brauchen wir in Europa den Zusammenhalt. Aber selbstverständlich bereitet sich auch Österreich auf verschiedene Szenarien vor, um gegebenenfalls eigenständig Schritte zu setzen."

Auch EU trifft Maßnahmen

Zu ihrer Entlastung in der Flüchtlingskrise wollen die EU-Staaten abgelehnte Asylbewerber schneller abschieben. Dafür will die EU Rücknahmeabkommen mit den Herkunftsländern besser nutzen, die EU-Grenzschutzagentur Frontex stärken und das Personal für Aufnahmezentren (Hotspots) verzehnfachen. Nach Angaben der EU-Kommission verlassen nur 40 Prozent aller Flüchtlinge, die zur Rückkehr aufgefordert wurden, tatsächlich Europa. Auch in die Balkanstaaten soll leichter abgeschoben werden. Darüber wollen die europäischen Minister in Luxemburg heute Abend mit ihren Kollegen vom Balkan reden.

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Mikl-Leitner und De Maiziere gegen Merkel

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner erklärte am Donnerstag in Luxemburg sie erwarte von dem Treffen Schritte zu wirksameren Abschiebungen und zum Aufbau von "Hotspots" für die Registrierung von Asylbewerbern. "Zu einer erfolgreichen Asylpolitik gehört eine effiziente Rückkehrpolitik. Mikl-Leitner sprach sich außerdem für Asyl-Obergrenzen, wie sie der deutsche Innenminister Thomas De Maiziere im Unterschied zu Bundeskanzlerin Angela Merkel gefordert hat. Der Vorschlag müsse fachlich und sachlich diskutieren, erklärte sie. "Es sind 60 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Da liegt es auf der Hand, dass Europa keine 60 Millionen Menschen aufnehmen kann, dass es hier eine Obergrenze geben muss."

Merkel hatte in der ARD-Talkshow "Anne Will" ihre Flüchtlingspolitik verteidigt und bekräftigt: "Wir schaffen das, da bin ich ganz fest davon überzeugt." Sie beharrt trotz wachsendem Widerstandes auch in den eigenen Reihen auf ihrem Kurs.

Und der Strom an Flüchtlingen, die über die Balkanroute den Weg nach Europa suchen, lässt nicht nach. Am Mittwoch sind erneut 6.103 Flüchtlinge in Ungarn eingetroffen. Laut einem Polizeibericht vom Donnerstag kamen 6.022 Menschen über die kroatisch-ungarische Grenze, die übrigen über die serbisch-ungarische Grenze. Insgesamt 330.150 Flüchtlinge sind damit seit Jänner in Ungarn eingetroffenen, die meisten Ankommenden werden weiter an die österreichische Grenze transportiert.

Im burgenländischen Grenzort Nickelsdorf (Bezirk Neusiedl am See) sind am Donnerstag im Zeitraum von Mitternacht bis 7.00 Uhr 2.653 Flüchtlinge eingetroffen. Diese Zahl gab die Landespolizeidirektion Burgenland bekannt. In Heiligenkreuz wurden hingegen keine Grenzübertritte registriert. Am Mittwoch hatten insgesamt 5.861 Personen aus Ungarn kommend bei Nickelsdorf die Staatsgrenze passiert.

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