Seehofer, Cameron: Vereint gegen Flüchtlingskanzlerin
Der Weihnachtsfriede währte nicht allzu lange. Gerade mal drei Tage ließ sich CSU-Chef Horst Seehofer im neuen Jahr Zeit, um den ohnehin brüchigen Konsens zwischen seiner Partei und der CDU in Sachen Flüchtlinge wieder aufzukündigen – vergessen sind die warmen Worte, die der Bayer seiner Kanzlerin noch im Dezember spendete, zurück ist die leidige Debatte um eine Obergrenze. Seehofer poltert wieder: Nur mehr 200.000 Menschen will er künftig pro Jahr ins Land lassen, ließ er Berlin wissen – gut 800.000 weniger, als es 2015 waren.
Der Grund für Seehofers Sinneswandel ist simpel. Der Parteichef hat eine wichtige Klausur vor sich – am Mittwoch treffen sich die Christsozialen im oberbayerischen Wildbad Kreuth, wie jedes Jahr steht am Dreikönigstag die Landesgruppen-Klausur am Programm. Tradition hat dabei aber nicht nur die Ortswahl, sondern auch die Agenda: Das Ziel ist, das eigene Profil zu schärfen – dass diesmal jene Person Ehrengast ist, auf deren Kosten das am leichtesten gelingt, ist ein angenehmer Zufall für Seehofer. Er hat Kanzlerin Merkel bereits im Frühsommer eingeladen; sie ist zum ersten Mal in ihrer zehnjährigen Amtszeit in Kreuth dabei.
Eine offene Konfrontation, wie Seehofer sie zuletzt beim Parteitag der CSU provoziert hat, ist in Kreuth nicht zu erwarten. Reibereien sind aber durchaus gewollt – nicht zuletzt deshalb steht neben Merkel auch David Cameron auf der Einladungsliste. Die CSU hofft auf prominente Rückendeckung durch den britischen Premier – London macht bekanntlich keinen Hehl aus seiner Abneigung der Flüchtlingspolitik Merkels gegenüber; auch selbst lässt man kaum Schutzbedürftige ins Land. Der Auftritt Camerons soll deshalb ein kräftiges Signal der Ablehnung sein, denn mehr Differenzen in der Asylpolitik hat Merkel wohl nur mit Ungarn – und dessen Premier Viktor Orban hatte Seehofer bereits im Herbst zu Gast.
Cameron darf umgekehrt auf Seehofers Unterstützung in seinen EU-kritischen Bestrebungen zählen – dies passt nicht nur gut in die Programmatik der Christsozialen, sondern ist auch eine kleine Spitze gegenüber Merkel, deren Position als Tonangeberin Brüssel nicht allen EU-Staaten genehm ist. In einem Antrag will die CSU deshalb verabschieden, dass etwa "Vertragsveränderungen nicht von vornherein ausgeschlossen werden dürfen" – ein deutliches Zeichen der Unterstützung für Cameron, der ja diverse Änderungen erwirken will, um beim Brexit-Referendum Argumente für einen Verbleib in der EU in der Hand zu haben.
Merkel unbeeindruckt
Seehofers Stoßrichtung ist klar – er will sich nicht nur von Merkel absetzen, er sucht neben der Flüchtlingskrise auch ein anderes inhaltliches Betätigungsfeld. Brüssel, wo die Kanzlerin derzeit große Mühe hat, ihre Wünsche durchzusetzen, bietet sich da förmlich an. Sie selbst hat ihn im Vorfeld jedenfalls aber wissen lassen, dass sie nicht daran denkt, von ihrer Linie abzurücken: "Eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen lässt sich nach unserer Überzeugung nicht im nationalen Alleingang erreichen", ließ sie durch ihren Sprecher Steffen Seibert ausrichten. Den Alleingang ihres Koalitionspartners Seehofer ließ man dabei höflicherweise unkommentiert.
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