Schweiz: Wie viel darf der Chef verdienen?

Eidgenossen in Zürich und Bern zeigen Flagge: Die Bewohner werben für ein Ja zum Referendum über die Beschränkung der Chefgehälter auf das Zwölffache des niedrigsten Gehalts im Unternehmen .
Eidgenossen stimmen ab: Richtschnur ist Gehalt des schlechtest bezahlten Mitarbeiters.

Wohlmeinende sprechen von Gerechtigkeit, scharfe Kritiker vom Einzug der Planwirtschaft in der Schweiz: Am Sonntag entscheiden 5,2 Millionen wahlberechtigte Eidgenossen, ob künftig der Chef eines Unternehmens im Monat – inklusive diverser Boni – nicht mehr verdienen darf als sein schlechtest bezahlter Angestellter in einem Jahr bekommt. Derzeit klaffen vor allem bei Großkonzernen zwischen oben und unten Welten, nicht nur in der Schweiz. Nestlé-Chef Paul Bulcke streicht beispielsweise im Jahr laut dem Wirtschaftsmagazin Bilanz umgerechnet 10,2 Millionen Euro ein: das 238-fache des niedrigsten Lohns bei Nestlé. Beim Pharma-Konzern Roche beträgt die Gehaltsschere demnach gar 1:261.

Wogen hoch

Entsprechend hitzig wurde über die Gehalts-„Initiative 1:12“ der Schweizer Jungsozialisten debattiert. Die Wogen gingen in allen Teilen der Schweiz hoch, die Großunternehmen hielten sich im Hintergrund, dafür lancierten Arbeitgeber-Verband und Gewerbeverband Millionen für eine schlagkräftige Nein-Kampagne. Ihr Hauptargument: Der Staat dürfe nicht in die Lohnpolitik eingreifen, dadurch würden schlussendlich Arbeitsplätze in der Schweiz vernichtet. Die millionenschwere Kampagne der Wirtschaft zeigte Erfolg. Hielten sich im Oktober noch Befürworter und Gegner von 1:12 mit jeweils 44 Prozent die Waage, so schlug das Gewicht zuletzt klar mit 54 Prozent zu 36 Prozent zugunsten der Gegner aus.

Die Fronten verlaufen zwischen links und rechts, jung und alt und entlang der Sprachgrenzen. In der deutschsprachigen Schweiz wird die staatliche Beschränkung der Spitzengehälter klar abgelehnt. In der französischen Schweiz könnte sich ein Ja ausgehen, in der italienischen Schweiz ziemlich sicher. „Dennoch wird es am Sonntag mit großer Wahrscheinlichkeit landesweit auf ein Nein hinauslaufen“, sagt Lukas Golder vom Institut GfS-Bern, das die Befragungen durchführte, gegenüber dem KURIER.

Macht beschränken

Der Politologe sieht etliche Gründe dafür. Vor allem widerstrebe es der Mehrheit der Eidgenossen, dem Staat so viel Macht in Wirtschaftsfragen zu geben. Zudem habe es heuer schon ein erfolgreiches Referendum gegen die „Abzockerei“ gegeben: 68 Prozent stimmten im März für ein verbindliches Gesetz zur Beschränkung der Managergehälter. Antritts- und Abgangszahlungen werden verboten, die Höhe der Spitzengehälter von der Vollversammlung der Aktiengesellschaften bestimmt. Die Details müssen nächstes Jahr in Gesetzesform gegossen werden. „Ab 2015 werden wir bei den Generalversammlungen sehen, ob die Wirtschaft wirklich Maß hält bei der Lohnpolitik und mit einem gesunden Maß Verantwortung übernimmt.“ Eine neuerliche Initiative zur Lohnpolitik hält Golder für unwahrscheinlich. „Nach den intensiven und kontroversen Debatten ist der Dampf draußen.“

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