Schweden vor Machtwechsel
Er war es, der die Sozialdemokraten nach fast 70 Jahren Dauerherrschaft von der Macht verdrängen konnte: Schwedens konservativer Premierminister Fredrik Reinfeldt. Jetzt, nur acht Jahre später, scheint die Regierungszeit der bürgerlichen Allianz unter Führung des 49-jährigen Parteichefs der "Moderaterna" wieder abgelaufen zu sein.
Warum, das ist selbst Maria Solevid, Politologin an der Universität Göteborg, nicht klar: "Die Regierung unter Reinfeldt hat, das ist weitgehend anerkannt, gute Arbeit geleistet. Sie hat nichts falsch gemacht und Schweden gut durch die Wirtschaftskrise geführt", sagt Solevid im Gespräch mit dem KURIER. "Und trotzdem scheint es, dass viele der Regierung müde sind. Ihr Sieg bei den Parlamentswahlen am Sonntag wäre doch eine Überraschung."
Allerdings war wenige Tage vor dem morgigen Urnengang laut einer Umfrage des schwedischen Rundfunks noch immer jeder dritte Schwede unentschlossen, wen er wählen soll.
Aufholjagd
Derweil legten der bei den Schweden beliebte Reinfeldt und seine bürgerlichen Verbündeten eine beachtliche Aufholjagd hin: Noch am Sonntag lagen die Linken – die Sozialdemokraten gemeinsam mit den Grünen und der Linkspartei – elf Prozentpunkte vor der Allianz, am Dienstag waren es nur noch gut vier Punkte. Einer der Gründe könnte sein, dass Reinfeldt Farbe bekannt hat: Sollte die von ihm geführte Koalition nicht bestätigt werden, werde sie zurücktreten. Hingegen ließ der Chef der Sozialdemokraten, Stefan Löfven, offen, mit wem er koalieren will. Das wird von den Schweden nicht geschätzt, wenngleich jeder dritte Wähler für eine Zusammenarbeit über die politischen Blockgrenzen eintritt. So drehte sich der Wahlkampf meist um die Frage: wer mit wem – und zu welchem Preis? Denn auf deutliche Mehrheiten wird sich auch der frühere Metallergewerkschafter Löfven (57) nicht stützen können.
Als weitere Unbekannte zählen die Schwedendemokraten, die mehr als zehn Prozent einfahren könnten. Damit könnten sie das Zünglein an der Waage für eine Minderheitsregierung sein. Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten punkten im traditionell toleranten Schweden mit offener Ausländerfeindlichkeit. Am Dienstag musste der Spitzenkandidat der Schwedendemokraten in Stockholm wegen offener rassistischer Hetze im Internet zurücktreten. Drei weitere Kandidaten der Partei haben nach Recherchen der Zeitung Expressen anonym auf einschlägig bekannten Internetseiten gegen "Negerschweine" gehetzt und auch zu Gewalt aufgerufen.
Bisher wurden die Schwedendemokraten von allen anderen Parteien von jeder Zusammenarbeit ausgegrenzt. Die Schwedendemokraten treffen allerdings den Nerv jener Schweden, die Angst um ihre Jobs und die Zukunft haben. "Denn dafür machen sie die Immigranten verantwortlich", sagt die Politologin Solevid. Die Argumentation ist bekannt: Ausländer nähmen ihnen die Jobs weg; und das Geld, das in die Einwanderer und Flüchtlinge investiert wird, fehle dann den Schweden und ihrem geschätzten Wohlfahrtsstaat.
Wohlfahrtsstaat
Seit den 90er-Jahren wird dieser Wohlfahrtsstaat abgebaut, weil er nicht mehr zu finanzieren war. Deshalb wurden Bereiche des öffentlichen Sektors wie Schulen, Altenpflege oder Gesundheitsversorgung privatisiert.
Löfven, dessen Sozialdemokraten den Privatisierungskurs begonnen hatten, verspricht jetzt mehr Personal in der Pflege, mehr Jobs für junge Leute und kleinere Schulklassen. Dafür will Löfven bis zum Jahr 2018 umgerechnet knapp 4,4 Milliarden Euro in die Hand nehmen – drei Mal so viel wie Reinfeldt.
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