Schulz: Merkel ablösen - Koalitionsfragen bleiben offen

Wechsel an der Parteispitze bringt der SPD ein Plus bei neuen Mitgliedern.

Der designierte SPD-Chef Martin Schulz will nach der deutschen Bundestagswahl am 24. September Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ablösen - lässt die Koalitionsfrage aber offen. "Wir wollen, in welcher Konstellation auch immer, den Bundeskanzler stellen", sagte Schulz nach einer Sondersitzung der SPD-Fraktion am Mittwoch in Berlin. Die am Dienstag angekündigte Umbildung des schwarz-roten Kabinetts soll am Freitag über die Bühne gehen.

Der bisherige Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel gibt seine bisherigen Ämter ab und löst Frank-Walter Steinmeier (SPD) als Außenminister ab, der am 12. Februar zum neuen Bundespräsidenten gewählt werden soll. Trotz des Ämterwechsels im Kabinett bleibt Gabriel aber Vizekanzler, wie aus einem AFP vorliegenden Schreiben von Fraktionschef Thomas Oppermann an die SPD-Abgeordneten hervorgeht.

"Die SPD tritt an, um dieses Land zu führen"

"Die SPD tritt an, um dieses Land zu führen", fügte Schulz mit Blick auf mögliche Koalitionen hinzu. Er versicherte auch, die SPD werde aber in den verbleibenden Monaten der Legislaturperiode ohne Einschränkung die derzeitige Koalition mit der CDU/CSU mittragen: "Wir werden bis zum Ende dieser Wahlperiode in dieser Bundesregierung das tun, was wir bisher schon getan haben - sie prägen." Im Wahlkampf werde die SPD aber für ihre eigenen Überzeugungen kämpfen.

Als zentrale Aufgabe nannte Schulz "die Verteidigung der Demokratie". Diese sei "in der auseinanderdriftenden Gesellschaft gefährdet". Sein Ziel sei es, die Alltagssorgen der Menschen stärker in den Mittelpunkt zu stellen. Gabriel empfahl seiner Partei, sich auf ihre Kerngruppe zu konzentrieren. Zwar müssten die Sozialdemokraten selbstverständlich unterschiedliche Bevölkerungsgruppen im Blick behalten, "aber die Kerngruppe sind die Arbeitnehmer und ihre Familien", sagte Gabriel am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichts.

Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sagte dem Sender Phönix: "Wir wollen dieses Land regieren und zwar von vorne.". Schulz habe "erkennbar die besten Aussichten".

CDU spricht von Sturzgeburt

Unions-Parlamentsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) bezeichnete die überraschende Kandidatenkür bei der SPD in Phoenix als "Sturzgeburt". Merkel habe mit ihrer ruhigen Art des Regierens durchaus Vorteile. Ähnlich äußerte sich das CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn. Es gebe keinen Anlass für einen politischen Strategiewechsel der Union, nur weil die SPD einen neuen Kandidaten aufs Parkett bringe, sagte Spahn dem Sender SWRinfo.

Grünen-Chefin Simone Peter machte im RBB-Inforadio deutlich, dass ein rot-rot-grünes Bündnis zu den Optionen gehört: "Wenn die SPD eine Chance ergreifen will, dann muss sie aus diesem Gefängnis der großen Koalition rauskommen." Die Grünen-Abgeordnete Franziska Brantner sagte der Nachrichtenagentur AFP, gerade mit Blick auf US-Präsident Donald Trump müsse sich Europa auf seine Werte besinnen. Schulz und die SPD müssten "dem rigorosen Sparkurs ein Ende zu setzen und sich für Solidarität, Investitionen und Steuergerechtigkeit in der EU stark machen".

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch äußerte sich aber zurückhaltend zu den Chancen für ein rot-rot-grünes Bündnis unter Schulz. "Wenn er wirklich ein Zeichen setzen wollte, könnte er doch heute im Bundestag mit einer Mehrheit jenseits der Union einige progressive Entscheidungen treffen", sagte Bartsch dem Sender n-tv.

Mehr Parteieintritte

Der Führungswechsel bei der SPD hat der Partei einen kleinen Mitglieder-Boom beschert. Seitdem am Dienstagmittag bekannt wurde, dass Martin Schulz statt Sigmar Gabriel die Sozialdemokraten in den Wahlkampf führt, sind nach Parteiangaben mehr als 200 Menschen eingetreten. Normalerweise beantragen pro Monat im Schnitt etwa 1000 Bürger ein SPD-Parteibuch.

Bereits die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten hatte die Zahl der Neuzugänge bei der SPD spürbar gesteigert. Im November meldeten sich rund 2000 neue Mitglieder an. Im Dezember waren es den Angaben zufolge nicht ganz so viele, aber immer noch mehr als im langfristigen Durchschnitt.
Auf lange Sicht verharrt die Partei allerdings bei den Mitgliedzahlen im Tief. Im Juni zählte sie gut 436 000 Mitglieder, vor zehn Jahren waren es noch 560 000.

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