Gesuchter hat keine Verbindung zu Paris-Anschlag
Ein von den belgischen Behörden gesuchter Mann hat nach ersten Erkenntnissen der Ermittler keine Verbindung zu dem mutmaßlichen Anschlag auf Polizisten in Paris. Der Mann stellte sich der Polizei in Antwerpen. "Nach derzeitigem Stand gibt es keine Verbindung. Aber die Ermittlungen laufen natürlich weiter", sagte ein Sprecher der belgischen Staatsanwaltschaft am Freitag. Er sei wegen einer anderen Sache gesucht worden. "Mehr kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Es gibt keine Verbindung."
Der Sprecher des französischen Innenministeriums hatte zuvor im französischen Radiosender Europe 1 gesagt, dass die Belgier den Franzosen am Vortag eine Suchmeldung nach dem Mann übermittelt hätten. Nach Informationen der französischen Nachrichtenagentur AFP gab es den Verdacht, dass der Mann nach Frankreich fahren wollte.
Der Anwalt des Verdächtigen wurde von der belgischen Zeitung Het Laatste Nieuws mit den Worten zitiert: "Ich war heute Nacht mit meinem Mandanten bei der Polizei in Antwerpen, um eine Erklärung abzugeben. Mein Mandat war wie gewohnt bei der Arbeit in einer Tankstelle im Hafen, als sich der Anschlag ereignete. Er wurde wegen eines Drogenfalles gesucht, der nichts mit dem Anschlag in Paris zu tun hat."
Terroralarm auf Champs-Elysees
Eine tödliche Schießerei in der Pariser Innenstadt hatte unmittelbar vor der französischen Präsidentschaftswahl Terroralarm ausgelöst. Beim Schusswechsel auf dem Prachtboulevard Champs-Elysees wurden am Donnerstagabend ein Polizist getötet und zwei weitere verletzt. Zudem sei eine Touristin durch eine Kugel leicht verletzt worden, verlautete aus Polizeikreisen. Ihre Nationalität wurde nicht mitgeteilt. Der Angreifer wurde auf der Flucht erschossen.
Ein Auto sei neben einem Polizeiauto stehen geblieben, ein Insasse des Autos habe das Feuer eröffnet und einen Polizisten getötet, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Anschließend habe er nach ersten Informationen versucht, zu Fuß zu fliehen, und habe dabei auf weitere Polizisten geschossen und zwei verletzt. Die Beamten hätten ihn niedergeschossen. Berichte, wonach einer der Polizisten seinen Verletzungen erlegen sei, wurden von der Polizei dementiert.
Sicherheitskräfte vollständig mobilisiert
Unterdessen mobilisiert Frankreich seine Sicherheitskräfte vollständig, darunter alle Eliteeinheiten. Dadurch solle die Sicherheit der Bevölkerung bei der anstehenden Wahl gewährleistet werden, sagt Ministerpräsident Bernard Cazeneuve nach einem Treffen mit Vertretern der Sicherheitskräfte am Freitag.
Zwei Tage vor der Präsidentenwahl appellierte Cazeneuve an "den Geist der Verantwortung und an die Würde jedes Einzelnen". "Es ist unsere Aufgabe, der Angst, der Einschüchterung und der Manipulation, die den Feinden der Republik in die Hände spielen würde, nicht nachzugeben."
Cazeneuve rief zur Einheit auf und betonte: "Nichts darf diesen für unser Land fundamentalen demokratischen Augenblick beeinträchtigen." In den kommenden Tagen würden mehr als 50.000 Polizisten eingesetzt, um die erste Runde der Präsidentenwahl am Sonntag zu schützen. Auch Spezialeinheiten der Polizei würden in Alarmbereitschaft gesetzt.
Präsident Francois Hollande hat das französische Sicherheitskabinett versammelt. Auf Fotos war zu sehen, dass an dem Treffen unter anderem Premierminister Bernard Cazeneuve und Innenminister Matthias Fekl teilnahmen.
IS reklamiert Angriff für sich
Zu dem Angriff hat sich in der Nacht auf Freitag die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) bekannt. Der Angriff sei von dem IS-Kämpfer "Abu Yussef der Belgier" verübt worden, teilte die Agentur Amaq, das Propaganda-Sprachrohr des IS, am Donnerstag in einer Erklärung mit.
Nach Angaben aus Ermittlerkreisen ist der Mann bereits wegen bewaffneter Angriffe auf Polizisten vorbestraft gewesen. Der Angreifer, ein 39-jähriger Franzose, sei im Februar 2005 zu fünf Jahren Haft wegen versuchter Tötung von drei Menschen, darunter zwei Polizeibeamte, verurteilt worden, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP aus Ermittlerkreisen.
Der Mann hatte die Angriffe den Angaben zufolge in einem Berufungsprozess gestanden. In erster Instanz sei der Mann 2003 zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. In dem Verfahren ging es laut Ermittlerkreisen zum einen um eine Verfolgungsjagd im Jahr 2001.
Hollande: "Terroristischer Hintergrund"
Der getötete Schütze soll vor dem Angriff die Absicht geäußert haben, Polizisten zu töten, wie aus dem Umfeld der französischen Antiterror-Ermittler verlautete. Die Behörden durchsuchten eine Wohnung, in der der Mann zuletzt gewohnt haben soll. Der Angriff ereignete sich drei Tage vor Beginn der Präsidentschaftswahl in Frankreich.
Bilder aus Paris:
Die Polizei veröffentlichte am späten Abend einen Haftbefehl für einen weiteren Verdächtigen, der aus Belgien mit dem Zug in Paris angekommen sei. Er dürfte aber nach bisherigen Erkenntnissen nicht unmittelbar an der Tat beteiligt gewesen sein. Laut Zeugenaussagen gab es nämlich nur einen Angreifer, sagte der Sprecher des Innenministeriums, Pierre-Henry Brandet, am Donnerstagabend vor Journalisten. Man könne aber nicht ausschließen, dass es einen oder mehrere Komplizen gebe, die in irgendeiner Weise an der Tat beteiligt waren.
Die Zeitung Le Figaro hatte zuvor berichtet, es habe einen zweiten Angreifer gegeben, der womöglich auf der Flucht sei. Das war aber spätabends nicht offiziell bestätigt. Die Polizei rief dazu auf, den Bereich zu meiden. In Frankreich gilt nach einer beispiellosen Terrorserie der Ausnahmezustand. Auf Fernsehbildern war zu sehen, dass die Champs-Elysees komplett gesperrt wurden. Zahlreiche Polizisten waren an Ort und Stelle.
Le Pen: Überwachte Ausländer ausweisen
Nach den tödlichen Schüssen von Paris hat die Rechtspopulistin Marine Le Pen gefordert, von den Geheimdiensten überwachte Ausländer sofort auszuweisen. Außerdem müssten die Grenzkontrollen wieder eingeführt werden, sagte Le Pen am Freitag. Die Forderungen sind Teil ihres Programms für die Präsidentenwahl.
Wahlkampfauftritte abgesagt
Indes haben mehrere Präsidentschaftskandidaten ihre Wahlkampfauftritte für Freitag abgesagt. Der konservative Kandidat Francois Fillon und Le Pen kündigten am Donnerstagabend die Annullierung ihrer geplanten Wahlkampfauftritte an.
Auch Präsident Francois Hollande sagte einen für Freitag geplanten Besuch in der Bretagne nach Angaben seines Umfeldes ab. In Frankreich findet am Sonntag die erste Runde der Präsidentschaftswahl statt. Schon bisher waren die Sicherheitsvorkehrungen angesichts der Gefahr islamistischer Anschläge extrem erhöht.
Trump kondoliert
Iran verurteilt Angriff
Der Iran hat den tödlichen Angriff scharf verurteilt. "Wir verurteilen diesen Terrorangriff und kondolieren dem französischen Volk", sagte Außenamtssprecher Bahram Ghassemi am Freitag. Gleichzeitig kritisierte er, die Politik einiger Regierungen im Kampf gegen die Terroristen sei "quasi ein Ansporn" für solche Angriffe mitten in Europa. Der Terrorismus sei derzeit die größte Bedrohung des Weltfriedens und ohne eine gemeinsame globale Zusammenarbeit können dessen Wurzeln nicht ausgetrocknet werden, erläuterte der Sprecher in einer Presseerklärung.
Auch die renommierte islamische Al-Azhar-Universität in Kairo hat den Anschlag auf dem Pariser Prachtboulevard als "sündhaft" und unislamisch verurteilt. Derartige Anschläge "widersprechen islamischen Lehren", erklärte die Universität, die als eine der wichtigsten des sunnitischen Islam gilt, am Freitag in der ägyptischen Hauptstadt.
"Al-Azhar verurteilt diesen sündhaften terroristischen Angriff scharf", heißt es in der Mitteilung weiter. Bei dem Angriff in Paris waren am Donnerstagabend ein Polizist und der Schütze getötet und drei weitere Menschen verletzt worden. Die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte die Tat für sich. Nach Angaben aus Ermittlerkreisen war der 39-jährige Täter bereits im Visier der Polizei.
Zwei Festnahmen am Dienstag
Die Polizei hatte erst am Dienstag in Marseille zwei mutmaßliche Islamisten festgenommen, in deren Wohnung ein Waffenarsenal versteckt war. Laut Anti-Terrorstaatsanwalt Francois Molins drohte ein Anschlag in den nächsten Tagen.
Die Sicherheitsmaßnahmen wurden daraufhin verstärkt. Innenminister Matthias Fekl hatte bereits angekündigt, dass die Präsidentenwahl an diesem Sonntag von 50.000 Polizisten und Soldaten geschützt werden soll. Die entscheidende Stichwahl ist für den 7. Mai geplant.
TV-Debatte zur Wahl
Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) verurteilte den "abscheulichen Angriff" auf Polizisten in Paris via Twitter: "Meine Gedanken sind bei der Familie und den Freunden des Opfers", so Kurz am späten Donnerstagabend.
Das Auswärtige Amt in Berlin erklärte auf Twitter, Deutschland stehe "fest und entschlossen an der Seite Frankreichs". Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ via Twitter mitteilen: "Mein Mitgefühl gilt den Opfern und ihren Familien." Auch US-Präsident Donald Trump sprach den Franzosen sein Mitgefühl aus. "Es endet einfach nie", sagte er in Washington zur anhaltenden Terrorgefahr.
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