Schlammschlacht um London

Sadiq Khan (Labour) will Bürgermeister von London werden.
Labour und Konservative zogen für die heutige Bürgermeisterwahl alle – tiefen – Register.

Die drei Herren in ihren dunkelblauen Anzügen lächelten zwar einig fürs Gruppenbild. Doch man musste kein Spezialist in Sachen Körpersprache sein, um die Hochspannung hinter der bemühten Harmonie zu spüren: Boris Johnson, der scheidende Bürgermeister zur Rechten, Premier David Cameron zur Linken und als Puffer dazwischen der hoffnungsvolle konservative Kandidat Zac Goldsmith. Zum Abschluss des Londoner Lokalwahlkampfs vereinten sie sich nur kurz für die Kameras. Untereinander verkörpern sie alles, was ihre Fraktion so tief entzweit.

Johnson opferte den Bürgermeisterposten seinem offenen Schielen auf Camerons Job. Nach Londons heutigen Wahlen wird er frei sein, sich ganz der Brexit-Abstimmung im Juni zu widmen. Sollte Großbritannien sich aus der EU herauswählen, rückt ein fliegender Wechsel des täuschend gemütlich wirkenden Polit-Clowns in die Downing Street in greifbare Nähe.

Schlammschlacht um London
London Mayor Boris Johnson and Conservative Party candidate for Mayor of London Zac Goldsmith (R) speak during a campaign event for the London Mayoral election in London, Britain May 3, 2016. REUTERS/Hannah McKay
Cameron wiederum muss sich insgeheim fragen, ob er einen Bürgermeister Zac Goldsmith vor dem Referendum wirklich gebrauchen kann, hat jener sich doch so wie Johnson im Februar als Brexit-Befürworter geoutet.

Zu jener Zeit sah es noch so aus, als würde das Thema Europa den Londoner Wahlkampf zwischen ihm und dem EU-freundlichen Labour-Kandidaten Sadiq Khan bestimmen. In der Zwischenzeit ist davon allerdings ebenso wenig die Rede wie von Khans Strategie, die Wahl zu "einer Volksabstimmung über das Wohnproblem" bzw. die Hälfte aller neu gebauten Wohnungen "tatsächlich leistbar" zu machen.

Spin-Doktor führt Regie

Denn jede politische Debatte um die tatsächlichen Probleme der überteuerten Metropole ging im Getöse einer Schlammschlacht unter, die an den jüngsten Unterhauswahlkampf erinnerte. Wie damals führte auf konservativer Seite der berüchtigt hemmungslose australische Spin-Doktor Lynton Crosby Regie.

Als Sohn des 1997 verstorbenen, exzentrischen Milliardärs Sir Jimmy Goldsmith hatte Zac Goldsmith, 41, die Kampagne mit einem gewissen Glaubwürdigkeitsproblem gestartet. Khan, 45, der aus eigener Kraft aufgestiegene Sohn eines 1947 aus Pakistan eingewanderten Busfahrers, stand dagegen im multikulturellen London für eine bunte Art von Volkstümlichkeit.

Doch Goldsmiths Stratege Crosby ortete Khans Schwachpunkt in seiner muslimischen Herkunft und deren Potenzial zur Spaltung der Einwanderer-Community. So ließ er Flugblätter an Londoner Familien mit Hindu-Nachnamen verschicken, die vor einer angeblich von Khan geplanten Steuer auf vererbten Familienschmuck warnten. Zac Goldsmith selbst, der als Ex-Herausgeber des grün-gesinnten Magazins The Ecologist bisher einen liberalen Ruf genossen hatte, bezeichnete den aus der gemäßigten Labour-Mitte kommenden Khan indessen beharrlich als "radikal" und "gefährlich" und sprach von "Extremisten" an der Spitze der Labour Party.

"Rassist!"

Khans Team beschuldigte ihn, mit solchen Reizworten islamophobe Gefühle zu schüren, doch der Ton der Kampagne sollte sich noch verschärfen. Im Unterhaus hielt David Cameron dem Abgeordneten Khan vor, als Menschenrechtsanwalt El-Kaida-Sympathisanten vertreten und mit einem "Unterstützer des Islamischen Staates" namens Suliman Gani neun Mal eine Plattform geteilt zu haben. "Rassist!", tönte es dem Premier von der Labour-Seite entgegen.

Später stellte sich heraus, dass jener gewisse Gani nicht nur der örtliche Imam in Khans Südlondoner Wahlkreis ist, sondern bei den letzten Unterhauswahlen ausgerechnet Khans konservativen Gegenkandidaten unterstützt und sogar Zac Goldsmith selbst getroffen hatte.

Letzten Donnerstag wiederum legte Londons Ex-Bürgermeister Ken Livingstone Khans Kampagne ein kapitales Ei. Der unberechenbare Veteran der Labour-Linken mengte sich in die immer lauter werdende Debatte um antisemitische Tendenzen innerhalb seiner Partei ein. Antisemitismus in der Labour Party habe er nie erlebt, meinte Livingstone in einem Radio-Interview, und im übrigen habe Hitler selbst "den Zionismus unterstützt". Sadiq Khan distanzierte sich augenblicklich via Twitter und Fernseh-Interviews von Livingstones Ausritten, doch die davon frisch ausgelösten Grabenkämpfe in der Labour Party haben ihm die letzte Wahlkampfwoche gründlich verpatzt. Lynton Crosby hätte sich das nicht besser ausdenken können. In den jüngsten Umfragen war Khans Vorsprung auf Goldsmith bereits von 20 auf bloße neun Prozentpunkte geschrumpft.

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