Massive Kritik: Saudi-Arabien übernimmt globalen Vorsitz für Frauenrechte

Erst seit Kurzem dürfen Frauen in Saudi-Arabien Jobs annehmen wie Schaffnerin oder Kellnerin.
Laut Gesetz müssen Ehefrauen ihrem Mann gehorchen, Autofahren dürfen sie erst seit Kurzem. Jetzt übernimmt Saudi-Arabien den Vorsitz der UN-Frauenrechtskommission. Kritik kommt zu spät.

Die Frau hat dem Mann zu gehorchen. Vor einer Heirat muss die Frau die Erlaubnis eines männlichen Vormunds einholen. Sex darf nur aus "legitimen Gründen" verweigert werden – sonst kann der Mann der Frau die "finanzielle Unterstützung" entziehen.

So schreibt es das Gesetz im saudischen Königreich vor. Es überrascht demnach kaum, dass Frauen- und Menschenrechtsorganisationen vehemente Kritik an der Entscheidung äußern, dass Saudi-Arabien den Vorsitz der UN-Frauenrechtskommission (CSW) übernehmen soll.

"Ein Land, das Frauen ins Gefängnis steckt, weil sie für ihre Rechte eintreten, hat als Gesicht des wichtigsten UN-Forums für Frauenrechte und Geschlechtergleichstellung nichts zu suchen!", reagierte Human Rights Watch (HRW) auf X.

"Die Kommission hat einen klaren Auftrag, Frauenrechte und Geschlechtergleichheit voranzubringen, und es ist entscheidend, dass dies auch vom Vorsitz verkörpert wird. Saudi-Arabien hat eine unterirdische Bilanz, wenn es um den Schutz und die Förderung von Frauenrechten geht", schrieb die stellvertretende Direktorin für Interessenvertretung, Sherine Tadros, von Amnesty International. 

Oberflächliche Reformen

Zwar wurden in den vergangenen Jahren einzelne Reformen verabschiedet – Frauen dürfen nun Auto fahren und ins Kino gehen, viele saudische Unternehmen haben Frauenquoten eingeführt –, doch sind diese weniger auf den Wunsch des saudischen Königshauses nach Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau zurückzuführen. Viel mehr liegt dem Wüstenstaat an engeren Wirtschaftsbeziehungen zum Westen, der wiederum Menschenrechte und Gleichstellung propagiert. Wirtschaftliche Freiheiten bedeuten mehr Arbeitsplätze und Kaufkraft, politisch sind Frauen aber nicht präsent.

Die Stiftung Weltwirtschaftsforum sieht Saudi-Arabien beim Thema Gleichstellung auf Platz 132 von 146 Ländern. Jüngere Reformen zielen vor allem auf eine Integration der Frau in den Arbeitsmarkt ab: Zwischen 2017 und 2021 soll sich die Erwerbsquote von Frauen von 17,4 auf 35,6 Prozent verdoppelt haben. 

Die UN-Kommission zur Rechtsstellung der Frau (UNCSW) setzt sich aus 45 repräsentativ gewählten Ländern zusammen. Das Ziel: Frauenrechte fördern und globale Standards festlegen.

Das islamische Königreich geht weiterhin repressiv gegen kritische Stimmen vor. Immer wieder werden Fälle von Frauen bekannt, die jahrelange Haftstrafen fürchten müssen, weil sie öffentlich mehr Rechte einfordern. 2022 wurde die Studentin Salma al-Shehab zu 34 Jahren Haft verurteilt, weil sie sich auf X (damals noch Twitter) mehrfach für Frauenrechte ausgesprochen und Beiträge von im Exil lebenden saudi-arabischen Dissidenten retweetet hatte. Der Aktivistin Ludschain al-Hathloul, die für eine Aufhebung des Autofahrverbots für Frauen eintrat, warf die Staatsanwaltschaft "Störung der öffentlichen Ordnung" und "Beabsichtigung des Umsturzes des Herrschaftssystems" vor und forderte 20 Jahre Haft. Im Bericht der Stiftung Weltwirtschaftsforum (WEF) 2023 über die Gleichstellung der Geschlechter belegt Saudi-Arabien Platz 132 von 146 Ländern.

Saudische Frauen in einer Fabrik für Klimaanlagen in Dammam, in der östlichen Provinz Saudi-Arabiens.

Saudische Frauen in einer Fabrik für Klimaanlagen in Dammam, in der östlichen Provinz Saudi-Arabiens.

Auch kein Einspruch aus "Westeuropa"

Medienberichten zufolge soll sich Saudi-Arabien den Posten durch Lobbyarbeit gesichert haben, denn eigentlich hätten die Philippinen den Vorsitz inne gehabt. Auch der vorgesehene Nachfolger Bangladesch wurde übergangen. 

Gegen die Kandidatur von Saudi-Arabien gab es dann weder einen Gegenkandidaten noch legte einer der 45 anwesenden Delegierten aus anderen Ländern Einspruch oder Beschwerde ein. Auch aus der Gruppe "Westeuropa und andere Staaten", bestehend aus Österreich, Israel, Liechtenstein, den Niederlanden, Portugal, Spanien, der Schweiz und der Türkei, gab es keinen Widerspruch. 

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