Warnung vor Nuklear-Krieg: Soll die NATO Putins Kampfjets abschießen?

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Kampfjets über Estland, Drohnen über Polen und Rumänien - und neu: Säbelrasseln gegen Finnland. Die NATO ringt um Antworten auf die russische Bedrohung.

Zusammenfassung

  • Russland provoziert die NATO mit Luftraumverletzungen und Drohnen über Polen, Rumänien, Estland und richtet zunehmend Drohungen gegen Finnland.
  • Die NATO diskutiert über angemessene Reaktionen, einschließlich der Option, russische Kampfjets abzuschießen, wobei die Meinungen über das Eskalationsrisiko auseinandergehen.
  • Experten sehen Parallelen zur russischen Vorgehensweise vor dem Ukraine-Krieg und warnen vor einer möglichen weiteren Eskalation bis hin zum Nuklearkrieg.

„Der russische Revanchismus ist ungebrochen.“ Das sagte der deutsche Außenminister Johann Wadephul vor den Sitzungen der NATO-Partner und der Mitglieder des UN-Sicherheitsrates am Montag – und nach den andauernden militärischen Nadelstichen Russlands gegen den Westen.

Für Experten ist klar: Kremlchef Wladimir Putin „testet, wie die NATO reagiert“, so Johannes Varwick, Professor für Internationale Beziehungen an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, stellvertretend für viele seiner Kollegen gegenüber dem deutschen TV-Sender SWR.

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Dieser russische MiG-31-Kampfjet drang am vergangenen Freitag in den estnischen Luftraum ein

Konkret verletzte Russland zuletzt mehrmals die Lufträume von Polen, Rumänien sowie Estland. Und nimmt – in der Öffentlichkeit vorerst weitgehend unbemerkt – zunehmend seinen Nachbarn Finnland verbal ins Visier, analysieren US-Fachleute des „Institute for the Study of War“ in der Frankfurter Rundschau.

Auf das Schärfste wird dabei der NATO-Beitritt Finnlands (2023) kritisiert, das eine rund 1.300 Kilometer lange Grenze mit Putins Riesenreich aufweist. Weil es keine russischen Touristen mehr gäbe und dadurch die Wirtschaft schwächle, seien die Finnen höchst unzufrieden mit ihrer Regierung, lautet die wohl von ganz oben orchestrierte Propaganda aus Moskau.

Außenminister Sergej Lawrow drehte den Spieß überhaupt um: Nicht sein Land sei der Aggressor, sondern Finnland, das auf Revanchismus gebürstet sei. Er spielte damit auf den sowjetisch-finnischen Krieg (November 1939 bis März 1940) an. Damals hatte die Rote Armee das Nachbarland überfallen. Finnland konnte zwar seine Unabhängigkeit erhalten, musste aber erhebliche territoriale Zugeständnisse machen.

Ukraine-"Drehbuch"

Die US-Analytiker sehen in der Informationsschlacht gegen seinen westlichen Nachbarn jedenfalls starke Ähnlichkeiten zum russischen Agieren vor dem  Einmarsch in der Ukraine: Es würden etwa dieselben Formulierungen verwendet.

So könnte es bloß eine Frage der Zeit sein, bis auch über dem finnischen Hoheitsbereich russische Jets und/oder Drohnen auftauchen. So wie vergangenen Freitag in Estland. Da drangen drei russische MiG-31-Jäger in den Luftraum des NATO-Landes ein – bestückt mit Luft-Luft-Raketen. Italienische Kampfjets stiegen auf und eskortierten die Militärmaschinen aus dem estnischen Hoheitsgebiet.

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Auch deutsche Eurofighter waren schon gefordert

Zwei Tage später mussten zwei deutsche Eurofighter aufsteigen, weil sich ein zunächst nicht zu identifizierendes russisches Aufklärungsflugzeug der Type IL-20M ohne Flugplan und Funkkontakt im internationalen Luftraum über der Ostsee bewegte.

Mitte des Monats sorgten mindestens 19 russische Drohnenattrappen in Polen für Angst und Schrecken. Obwohl diese Art nicht mit Sprengstoff bestückt ist, kann sie allein durch ihren Absturz tödlich sein. NATO-Jets und Boden-Luft-Raketen machten einige dieser Drohnen unschädlich.

Russland produziert 5.000 Drohnen - pro Monat

Auch im Luftraum Rumäniens wurden bereits russische Billig-Drohnen geortet. Russland stellt derzeit mehr als 5.000 dieser Drohnen pro Monat her. Eine kostet wenige zehntausend Euro – eine Abfangrakete hingegen eine Million oder mehr.

Die NATO berät nun eben, wie sie auf diese Bedrohung aus dem Osten reagieren soll. Klar scheint, dass die Flanke zu Russland noch mehr verstärkt werden soll. Doch die Gretchenfrage lautet: Soll man gegebenenfalls auch russische Kampfjets abschießen? Hier scheiden sich die Geister.

Warnung vor Nuklearkrieg 

So haben sich der tschechische Präsident Petr Pavel oder der außenpolitische Sprecher der deutschen Unionsfraktion, Jürgen Hardt, als Ultima Ratio dafür ausgesprochen. Die Befürworter einer harten Gangart verweisen auf den Abschuss eines russischen Su-24-Bombers durch die Türkei 2015. 

Der Vorfall hatte zwar eine diplomatische Krise zwischen den beiden Staaten ausgelöst. Doch bald schon – nach einer offiziellen Entschuldigung – näherten sich Ankara und Moskau wieder an. Luftraumverletzungen seitens Russlands gab es seither keine mehr.

Vertreter einer weicheren Linie warnen hingegen vor den möglicherweise dramatischen Folgen einer militärischen Konfrontation. Man dürfe nicht schlafwandelnd in eine Auseinandersetzung taumeln, warnt etwa der Politologe Johannes Varwick, die dann am Ende eventuell nuklear eskaliert.

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