Ein syrisch-ukrainischer Kuhhandel

Russlands Vorgehen in Syrien und die Waffenruhe in der Ukraine sind eng miteinander verwoben.

Es ist schon erstaunlich, dass ein an sich im vergangenen Februar vereinbarter Waffenstillstand für die Ostukraine, der niemals so recht halten wollte und ganz bewusst unter Zuschiebung der Schuld an Kiew gebrochen wurde, jetzt plötzlich hält. Und gar erst, dass die pro-russischen Milizen in der Ostukraine geplante Wahlen kurzfristig absagen. Es ist wohl auch kein Zufall, dass das genau jetzt passiert, wo Moskau in Syrien und zunehmend auch im Irak das Heft in die Hand nimmt – ja, man könne fast sagen: den USA Zug um Zug die Lufthoheit über die Region abringt.

Am Mittwoch begannen regierungstreue Verbände in Syrien eine breit angelegte Bodenoffensive mit russischer Luftunterstützung – während die US-geführte Allianz gegen den IS um Abstimmung ihrer eigenen Aktionen mit Russland bemüht ist. Aus Moskau hieß es dazu in nahezu genüsslichem Tonfall: Vorschläge der USA dazu könnten im Großen und Ganzen umgesetzt werden. Die Botschaft: Wir haben jetzt das Sagen.

Und das vielleicht bald auch im Irak. Den Worten eines irakischen Abgeordneten zufolge könnte sich Bagdad veranlasst sehen, Russland um Luftangriffe auf irakische Gebiete unter Kontrolle der Terrormiliz IS zu bitten. Man wolle, dass Russland eine größere Rolle spiele, so Hakim al-Zamili, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses im Parlament in Bagdad. Nachsatz: "Auf jeden Fall eine größere Rolle als die USA." Die eng mit dem Iran verwobenen irakischen Schiitenmilizen jedenfalls, die jede Kooperation mit den USA verweigern, feiern Russlands Intervention. Diese Milizen kämpfen aber aufseiten der Armee, die ihrerseits mit den USA kooperiert.

Flirt mit der EU

Angesichts dieser Gemengelage bringen russische Diplomaten jetzt wieder verstärkt ein Lieblingsthema ins Spiel: die westlichen Sanktionen gegen Moskau. Kommuniziert wird dabei mit bekannten Argumenten: Die Verschiebung der Separatisten-Wahlen in der Ukraine nannte Russlands neuer Botschafter in Österreich, Dmitrij Ljubinskij, gegenüber der APA einen wichtigen Fortschritt. Er verpasste es dabei freilich nicht anzuführen, dass Moskau mit dem Ukraine-Krieg nichts zu tun habe. Man habe Einfluss, sei aber nicht entscheidende Kraft: "Man kann auf uns hören oder auch nicht."

Dass Moskau gerade jetzt in der Ostukraine so umfassend Gehör findet, kommt zu einem – Zufall oder nicht – dem Kreml sehr genehmen Zeitpunkt: In Syrien hat Russland aus "rechtlicher" Sicht weit bessere Karten, als sie die US-Koalition gegen den IS je hatte – schließlich agiert die russische Armee auf Anfrage der syrischen Regierung. Dass man dabei überwiegend nicht den IS sondern alles bombardiert, was bewaffnet und gegen Präsident Assad ist, ist eine andere Sache.

Moskau macht jetzt also Druck auf die EU, die Sanktionen aufzuheben, weil der Waffenstillstand in der Ukraine ja halte – und die EU gerade jetzt kaum etwas weniger braucht, als Krieg samt Flüchtlingsströmen vor der Haustür. Diese Sanktionen waren aber überwiegend wegen der Annektion der Krim beschlossen worden. Im Minsker Abkommen ist die Waffenruhe zudem nur ein erster Schritt. Dennoch mehren sich Anzeichen, dass Moskau dieser diplomatische Kuhhandel gelingen könnte. Womit sich Russland – von Sanktionen reingewaschen – gegenüber eine geschwächten EU auf Dauer Einfluss in der Ukraine sowie die Achse SyrienIrakIran sichern könnte.

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