Russisches Nowitschok-Labor wurde angeblich identifiziert

Russisches Nowitschok-Labor wurde angeblich identifiziert
Britische Experten sind sich laut "Times" recht sicher, wo die Giftaffäre Skripal ihren Ausgang nahm, aber nicht "zu 100 Prozent".

Britische Experten haben einem Medienbericht zufolge das russische Labor identifiziert, aus dem das Gift für den Anschlag auf den Ex-Doppelagenten Sergej stammen soll. Dies sei mit Hilfe von wissenschaftlichen Analysen und der Geheimdienste gelungen, berichtete die Zeitung The Times am Donnerstag. Die Experten seien sich recht sicher, wenn auch nicht zu 100 Prozent.

Eine klare Quelle nannte das Blatt allerdings nicht. Ein Regierungssprecher wollte den Bericht auf Anfrage nicht kommentieren. Die britische Forschungsanlage Porton Down hatte zuvor berichtet, dass die präzise Quelle für das Nervengift Nowitschok unklar sei.

Russisches Nowitschok-Labor wurde angeblich identifiziert

Sergej Skripal und seine Tochter Julia waren vor einem Monat bewusstlos auf einer Parkbank im südenglischen Salisbury aufgefunden worden. London bezichtigt Moskau als Drahtzieher des Attentats. Der Fall löste eine schwere diplomatische Krise aus.

Russland forderte eine Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, die noch an diesem Donnerstag um 15.00 Uhr (Ortszeit, 21 Uhr MESZ) in New York stattfinden soll.

Premierministerin Theresa May hatte UN-Generalsekretär António Guterres Mitte März über die Attacke informiert und gefordert, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. "Diese Attacke auf britischem Boden mit verbotenen Chemiewaffen ist nicht nur für sich genommen eine Straftat, sondern eine klare Herausforderung eines Mitgliedstaats der Vereinten Nationen gegen die internationale Ordnung", schrieb May.

Am Mittwoch waren Vertreter Großbritanniens und Russlands in einer Sitzung der Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) in Den Haag bereits direkt aneinandergeraten.

Johnson unter Druck

Wegen seiner Vorwürfe an Moskau gerät der britische Außenminister Boris Johnson zunehmend unter Druck. Labour-Chef Jeremy Corbyn warf Johnson vor, dass er entweder nicht all sein Wissen preisgebe oder übertreibe. Labour-Politikerin Diane Abbott sprach von Irreführung der Öffentlichkeit. Johnson erwiderte, dass der Oppositionschef genauso wie Russland versuche, Großbritannien zu diskreditieren.

In einem Interview mit der Deutschen Welle hatte Johnson kürzlich auf die Frage nach Belegen für die Herkunft des Gifts aus Russland gesagt: "Als ich nach dem Beweis geschaut habe, waren die Leute des Laboratoriums Porton Down sehr bestimmt." Er habe einen Experten dort gefragt: "Sind Sie sich sicher? Der habe geantwortet: "Es gibt keinen Zweifel." Dies habe zu den Maßnahmen gegen Russland geführt.

Der 66-Jährige Skripal befindet sich in einem kritischen Zustand, seiner 33 Jahre alten Tochter geht es besser. Nach Erkenntnissen britischer Forscher wurde bei dem Attentat das Nervengift Nowitschok verwendet, das einst in der Sowjetunion produziert wurde.

Kurz: Österreich nicht isoliert

Kurz vor der Sondersitzung des UNO-Sicherheitsrates über den Giftanschlag verstärkt sich in Deutschland die Debatte über das richtige Vorgehen gegen Russland. Der Russlandbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Gernot Erler, forderte am Donnerstag, dass man vor weiteren Maßnahmen gegen Russland die Analyse des Gifts abwarten solle.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) verwahrte sich indes gegen Einschätzungen, wonach sich Österreich mit der Entscheidung, keine russischen Diplomaten auszuweisen, international isoliert und die EU-Linie gebrochen habe. "Das ist einfach nicht richtig", sagte Kurz am Mittwochabend in der "Puls 4 Arena".

Österreich habe beim EU-Gipfel seine Solidarität mit Großbritannien bekundet und Russland dafür verurteilt, dass es "aller Wahrscheinlichkeit nach für den Giftanschlag verantwortlich ist". Man stehe außerdem hinter der Entscheidung, den EU-Botschafter aus Moskau für Konsultationen nach Brüssel zurückzuberufen, sagte der Kanzler.

In der Frage der Diplomaten-Ausweisung könne man aber nicht von EU-Linie sprechen, da sich "rund ein Drittel der Staaten" anders entschieden habe, darunter auch Österreich. Als Gründe nannte Kurz im österreichischen Fall die Neutralität und dass Wien Sitz vieler internationaler Organisationen sei.

Außerdem habe das Land eine Tradition als Brückenbauer zu Russland bei gleichzeitiger fester Verankerung im Westen. Darüber herrsche ein parteiübergreifender Konsens. Andere Länder - wie die baltischen Staaten, oder Polen - hätten aufgrund ihrer Geschichte ein anderes Verhältnis zu Russland. Für beide Wege müsse man Verständnis aufbringen, so Kurz.

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