Rückführung von Migranten: EU drängt, Afrika bremst

Rückführung von abgewiesenen Migranten aus Deutschland
Warum Abkommen der EU mit afrikanischen Staaten wenig ändern, belegt eine neue Studie

Die Corona-Pandemie hat auch vielen Migranten den Weg versperrt: Nur 55 Menschen sind vergangene Woche auf den ostägäischen Inseln in Griechenland gelandet – im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es genau 13 Mal mehr. Und praktisch zum Erliegen kam auch die Rückführung von abgewiesenen Asylsuchenden aus Europa in ihre Heimatländer.

Dabei hatte sich die EU ein klares Ziel gesetzt: Spätestens 2020 sollte eine Rückführungsquote von 70 Prozent aller Menschen erreicht werden, die nicht in der Union bleiben dürfen.

Davon ist man – nicht nur wegen der Corona-Krise – meilenweit entfernt. Rund zwei Drittel der Migranten, die Europa erreichen, bleiben auch. Eine neue Studie des Instituts für Europa-Studien (IES) an der Freien Universität Brüssel, die dem KURIER vorliegt, errechnete eine durchschnittliche Rückführungsquote in den vergangenen zehn Jahren von knapp 38 Prozent.

Rückführung von Migranten: EU drängt, Afrika bremst

Migranten aus Gambia, die nach Lesbos gebracht wurden (Bild vom Februar)

Dabei hatte man in Brüssel hohe Erwartungen in sogenannte Rückführungsabkommen gesetzt: Gäbe es erst einmal die Verträge mit den Herkunftsländern, so lautete die Hoffnung, würde auch die Rückführung der abgewiesenen Migranten schnell in Gang kommen. 17 solcher Abkommen mit Drittstaaten hat die EU geschlossen, drei zusätzliche Rückführungsabkommen hat Österreich bilateral mit Kosovo, Tunesien und Nigeria vereinbart.

Kein Allheilmittel

Die Studie der Uni-Brüssel nahm die EU-Abkommen unter die Lupe und kam zum Schluss: „Sie allein sind nicht das ultimativ richtige Instrument. Die Rückführungsquote hängt von vielen zusätzlichen Faktoren ab“, schildert Studienautor und Politologe Florian Trauner.

So wurden etwa bisher trotz Abkommens nur neun Prozent aller abgewiesenen Migranten aus Cap Verde in ihre Heimat zurückgebracht. Oder Abkommen wurden vereinbart – und nach einer kurzen, intensiven Phase versiegten die Rückführungen wieder rasch.

In die Balkanstaaten wurden hingegen nahezu alle Ausgewiesenen zurückgeführt. Der entscheidende Unterschied dabei: Die Staaten streben eine EU-Annäherung an, erhalten Hilfen aus Brüssel und haben allesamt großes Interesse, mit der EU zu kooperieren.

Überweisungen der Diaspora

In Afrika aber sieht die Lage anders aus: Dort unterschätze die EU mit ihren Wünschen nach Rückführungsabkommen die innere Situation, heißt es in einer weiteren Studie Trauners.

Am Beispiel Ghanas und Senegals zeigt sich, dass die Staaten Migration nicht einschränken wollen, zumal sie davon profitieren, vielmehr noch entscheidend davon abhängen. „Die Diaspora trägt mit ihren finanziellen Überweisungen zur sozio-ökonomischen Entwicklung im Land bei. Sowohl in Ghana als auch im Senegal sind diese Überweisungen höher als die Entwicklungshilfe und die ausländischen Investments“, heißt es.

Besonders demokratische Länder Afrikas steigen deshalb gegenüber den Rückführungswünschen der EU auf die Bremse. Kommen zu viele Migranten zurück, gehen Opposition und große Teile der Bevölkerung auf die Barrikaden. „In Gambia“, erzählt Florian Trauner, „gab es massive Proteste gegen die Regierung, als zum ersten Mal Flugzeuge mit Rückkehrern gelandet sind.“

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