Zeichen auf Rot-Rot-Grün: Machtwechsel ist greifbar

Rot-Rot-Grün liegt in Umfragen erstmals vorn – doch viele Hürden warten noch.

Als die CDU bei ihrem Parteitag im Dezember ihr größtes Feindbild für den anstehenden Wahlkampf an die Wand malte, lächelten viele Beobachter milde. Rot-Rot-Grün? Daran glaubt doch nicht mal die SPD selbst mehr, hieß es damals.

Nur ein paar Wochen später ist der Glaube daran größer als je zuvor. Nicht nur, dass die SPD in Umfragen die CDU überholt hat, sie hätte derzeit sogar erstmals eine rot-rot-grüne Mandats-Mehrheit im Bundestag: 31 Prozent für die SPD, 10 für die Linkspartei und sieben für die Grünen reichen dafür aus.

Faktor Wagenknecht

Zeichen auf Rot-Rot-Grün: Machtwechsel ist greifbar
Sahra Wagenknecht
Das lässt in der SPD Erinnerungen an 1998 hochkommen. Damals war es Gerhard Schröder, der nach den langen Jahren unter Helmut Kohl die Genossen wieder in Euphorie versetzte; nun ist es Martin Schulz, an dem sich die Partei berauscht. Allein, so einfach wie sein Vorgänger hat Schulz es jedoch nicht. Konnte sich Schröder noch auf eine gemütliche Zweier-Mehrheit mit den Grünen verlassen, braucht Schulz zum Regieren die Linkspartei – und sie macht R2G, wie die Konstellation im abkürzungsfreudigen Deutschland gern genannt wird, auch so kompliziert.

Nicht nur, dass viele Genossen noch immer damit hadern, dass die Partei als Abspaltung der SPD entstanden ist, auch Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht ist für viele eine große Hürde. Vor allem der konservative SPD-Flügel stößt sich an ihrer Politik: "So viel AfD-Nähe ist unerträglich", hieß es von dort, als Wagenknecht kürzlich Angela Merkel für den Anschlag in Berlin mitverantwortlich machte.

Im rechten Parteiflügel ist eine Kooperation mit ihr deshalb "undenkbar" – Schulz, der selbst diesem Kreis angehört, hält sich darum bislang taktisch klug zurück. Der Druck von Jungsozialisten und Parteilinken, die ihn zu einem Ja bewegen wollen, wächst aber zusehends; am Donnerstag fanden deshalb erste Vorgespräche für eine Zusammenarbeit statt.

Die Vorstellung, dass die überzeugte Marxistin ein Ministeramt besetzen könnte, irritiert aber nicht nur in der SPD. Auch in der Linkspartei sind die Bedenken groß: Wagenknecht selbst hat schließlich bisher stets Regierungsverantwortung ausgeschlossen; ihr Argument dabei lautete, dass sowohl Grüne als auch SPD für Interventionskriege, Waffenlieferungen und Hartz IV stünden – solange dies sich nicht ändere, sei eine Kooperation undenkbar.

Grüne beiderseits offen

Weniger Probleme hat die SPD da schon mit den Grünen. Die Ökopartei kann sich zwar keine allzu großen Hoffnungen auf einen riesigen Wahlerfolg machen, aber mit einer Regierungsoption rechnen: Auch Angela Merkels CDU behält sich die Option Schwarz-Grün in der Hinterhand; eine Wiederholung der ungeliebten Großen Koalition favorisieren weder Union noch SPD.

Allein, von der Realisierung ist Schwarz-Grün derzeit weiter entfernt denn je – darum verwundert es auch wenig, dass die Union sich seit Kurzem in den Kampfmodus begeben hat. In der CDU sei dazu aufgerufen worden, belastendes Material über Martin Schulz zu sammeln, feixte vor Kurzem die SPD; man sprach gar von einer "Angstkampagne". Die CDU reagierte darauf gelassen – noch: Steigt die SPD in Umfragen weiter, wird sich die Tonlage schnell ändern.

Kommentare