Im Juli spitzte sich die Lage derart zu, dass die römische Ärztegesellschaft Alarm schlug: Die "hygienischen Zustände können zu einem Notstand für die öffentliche Gesundheit" führen, so die Warnung. Angesichts der „alarmierenden Invasion an Ratten, Wanzen und Mücken“ bestehe eine „ernste Hygiene-Gefahr“. Präsident Antonio Magi warnte vor Krankheiten.
Von der Warnung wachgerüttelt hat Bürgermeisterin Raggi nach einem Treffen mit Umweltminister Sergio Costa versprochen, binnen zwei Wochen das Problem der Müllentsorgung endlich in den Griff zu bekommen. Vor allem müssen dringend Orte für Mülldeponien gefunden werden. Auch das Entsorgungssystem ist stark verbesserungswürdig.
5.000 Tonnen Müll produziert die drei Millionen Einwohnerstadt jeden Tag. Die Müllabfuhr schafft es längst nicht mehr, täglich alle überfüllten Container zu leeren und die vor den Müllcontainern abgestellten Müllsäcke, Kartons und sonstigen Abfälle abzutransportieren. Die Müllberge sind auch in der Nähe von berühmten Sehenswürdigkeiten anzutreffen: Ein paar Straßen vom Petersdom, Kolosseum oder Pantheon entfernt türmen sich die Abfälle.
Wildschweinen ist es in der glühenden Sommerhitze mittlerweile zu heiß. Im Winter sorgten im Müll wühlende Schweine, die sich bis in Viertel am Stadtrand vorwagten, für Aufsehen. Dafür nimmt in der Urlaubszeit die Rattenplage zu. „Ich kann kaum mehr die Fenster öffnen, da ich Angst habe, dass die Nager reinklettern“, sagt eine Signora, die im Erdgeschoss wohnt.
Das Müllproblem besteht seit vielen Jahren. Es hat sich nach der Schließung der größten Müllhalde Europas (Malagrotta), die in den Händen der Mafia war, im Jahr 2013 verschärft. Seit Langem wird über den Bau einer Müllverbrennungsanlage diskutiert. Doch Raggi ist als Vertreterin der Fünf-Sterne-Bewegung, die sich Umweltschutz auf ihre Fahnen heftet, strikt dagegen. Sie plädiert stattdessen für Mülltrennung und Recycling. Doch damit stößt sie bei den meisten Römern auf taube Ohren. Schätzungsweise trennen gerade einmal ein Drittel aller Haushalte den Müll – und dabei nur Papier und Glas vom normalen Abfall.
Noch im August sollen die ersten Schiffe von der Hafenstadt Civitavecchia starten, um den Müll nach Schweden zu bringen. Die Mülltransporte von Rom Richtung Österreich in die Müllverbrennungsanlage bei Zwentendorf wurden vor zwei Jahren eingestellt.
„Sowohl die Region Latium, als auch die Stadt Rom nehmen das Problem nicht ernst genug und setzen keine vorausschauenden, zukunftsträchtigen Maßnahmen. Es fehlt der nötige Ernst“, kritisiert Umweltaktivist Federico Bernardini.
Man könne doch nicht bei jeder Kritik auch nach drei Jahren Amtszeit noch auf die Fehler des Vorgängers verweisen. Zuvor regierte Ignazio Marino, ein Vertreter der Demokratischen Partei.
Man braucht nur von einem der sieben Hügel Roms auf die Stadt blicken: Man wird keinen Kran, keine Baustelle weit und breit sehen. Es wird nichts gebaut. Während man in Berlin, London und Wien die entgegengesetzte Strategie verfolgt und sich mit neuen Wohnbauprojekten überschlägt, herrscht in der Ewigen Stadt Stillstand.
Doch das kümmert Raggi nicht. Ihre Anweisung an die Mitarbeiter lautet: „Wir müssen nur Dinge tun, die bis zum Ende der Amtszeit (Anm. Frühjahr 2021) fertig werden.“ Das ist ihr bei kleineren Projekten auch gelungen. Stolz konnte sie im Juli einen 3,5 Kilometer langen Radweg im römischen Zentrum eröffnen. Auch der faschistischen Bewegung Casapound ging es an den Kragen. Vor wenigen Wochen ließ Raggi den Schriftzug der Bewegung auf einem illegal besetzten Haus entfernen. Nun steht die Räumung des von den Faschisten besetzten öffentlichen Gebäudes im Esquilino Viertel nahe der Stazione Termini bevor.
Touristen dürfen seit Sommer nicht mehr auf der Spanischen Treppe in der römischen Altstadt sitzen. Das ist keine Bosheit der Bürgermeisterin gegen Touristen, sondern wie Denkmalschützer bestätigen, ein notwendiger Schutz des historischen Meisterwerks aus dem 18. Jahrhundert.
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