Treffen in Wien, "elendige" Lage in Syrien
Die erschütternden Berichte wurden wohl nicht zufällig gestern veröffentlicht, am ersten Tag der großen Syrien-Konferenz Freitag und Samstag in Wien: Die humanitäre Lage habe sich seit Beginn der von Russland unterstützten syrischen Offensive gegen die Rebellen nochmals dramatisch verschlechtert, erzählen Aktivisten und Hilfsorganisationen. Im Norden des Landes seien Zehntausende Menschen durch die Kämpfe vertrieben worden.
Neue Fluchtbewegungen
In den von Gegnern der Regierung kontrollierten Vierteln der Großstadt Aleppo gibt es zudem seit mindestens zwei Wochen weder Strom noch Wasser. Nördlich der Stadt Hama seien rund 70.000 Menschen auf der Flucht, erklärte Tamer Hassan von der oppositionsnahen Hilfsorganisation Syrian American Medical Society (SAMS). Auch südlich von Aleppo sind laut UNHCR Tausende, laut anderen Organisationen Zehntausende Menschen auf der Flucht. Ein Arzt von SAMS erklärte, die Menschen lebten auf freier Fläche in Zelten. Die Lage sei "elendig", sagte Abu al-Iss. "Wenn wir nicht sofort etwas unternehmen, kann sich die Situation in eine Katastrophe verwandeln."
Auch der Beginn des Winters bereitet den Hilfsorganisationen große Sorgen. Die andauernde Vertreibung zwinge viele Menschen zur Flucht in höher gelegene Regionen, sagte Karl Schembri von der Organisation Norwegian Refugee Council.
Österreich dabei
All das floss gestern naturgemäß in eine der drei Arbeitsgruppen ein, die der UN-Sonderbeauftragte für Syrien, Staffan de Mistura, im Wiener Hotel Imperial zum Auftakt der Syrien-Konferenz implementierte. Sie sollte Maßnahmen zur Verbesserung der humanitären Lage, zum Schutz und zur Versorgung der syrischen Zivilbevölkerung ausarbeiten. In dieser Gruppe ist auch Österreich mit dabei, vertreten durch Außenamts-Generalsekretär Michael Linhart. Eine zweite und dritte Gruppe sollte sich damit befassen, welche syrische Oppositionsgruppen in Verhandlungen eingebunden werden können und welche als Terrororganisation einzustufen sind.
Die Ergebnisse dieser Freitagsarbeit – die Stimmung wurde als angespannt bis schlecht beschrieben, Russland und Iran fühlen sich von den USA unter Druck gesetzt – sind Grundlage für die große Syrien-Runde heute, Samstag, im Hotel Imperial. Schon gestern trafen US-Außenminister John Kerry und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow in Wien ein; heute treffen sie mit ihren Amtskollegen aus Saudi-Arabien, der Türkei, weiteren arabischen und den großen europäischen Staaten zusammen plus den Vertretern der UNO und der EU (17+2).
Gedämpfte Erwartungen
Vor seiner Abreise nach Wien hatte John Kerry gesagt, dass es noch zu früh für einen Durchbruch sei. Die USA hielten an ihrem Ziel, den "Islamischen Staat" zu vernichten und den syrischen Bürgerkrieg zu beenden, fest und auch daran, dass eine Lösung nur eine ohne Staatschef Bashar al-Assad sein könne. Russland, wie Iran ein Verbündeter Syriens, hatte zuletzt immerhin einen Plan vorgelegt, der eine Übergangsperiode ohne Assad vorsieht, mit anschließenden Wahlen, an denen der Diktator teilnehmen können soll.
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