Mecklenburg-Vorpommern: Ganz oben, ganz weit rechts
"Nach Lichtenhagen wird von den Politikern wohl keiner mehr kommen", sagt die ältere Dame etwas resigniert. Sie deutet auf das Plakat neben ihr, dem CDU-Kandidaten hat man ein Fadenkreuz übers Gesicht gemalt. "Volksverräter" steht darunter. "Vielleicht fürchten die sich ja", sagt sie und geht in Richtung Sonnenblumenhaus.
Wut auf die da oben
Man ist hier ganz oben rechts auf der Landkarte, wie man im Rest des Landes gern sagt, und dort werden viele Wähler heute ihr Kreuz machen – ganz weit rechts. Gut ein Viertel der Stimmen könnten AfD und NPD gemeinsam bekommen. Die AfD, angeführt von Ex-Radiomoderator Leif-Erik Holm, einem Polit-Frischling, könnte vor der CDU auf Platz zwei landen, nur geschlagen von der SPD, die sich mit Mühe und Not vorn halten wird. Hört man den Leuten zu, scheint die Prognose nicht zu hoch: Die Wut auf die da oben, die in Berlin entscheiden, was in der Peripherie passiert, ist riesig.
"Damit Deutschland nicht zerstört wird", steht auf Plakaten der AfD. Die Flüchtlinge sind ein gutes Ventil, obwohl in Deutschlands flächenmäßig größtem Land kaum welche anzutreffen sind. 1,6 Millionen Einwohner hat das Land, gerade mal 22.000 Asylwerber leben derzeit noch hier. Drängender sind Probleme wie die noch immer hohe Arbeitslosenquote von neun Prozent und die Folgen der massiven Abwanderung – nirgendwo in Deutschland sind Einkommen, Löhne und Steueraufkommen geringer, überall hat man mit fehlender Infrastruktur zu kämpfen.
Merkel zieht nicht mehr
Die Nicht-Kommunikation macht sich bezahlt, zumindest heute. Der Protest draußen vor dem Strandpavillion weitab vom Zentrum beschränkt sich auf ein paar Versprengte. Man hat fast den Eindruck, als wolle man die Augen verschließen: Für die CDU könnte der heutige Tag die absolute Katastrophe bringen – das AfD-Mantra "Merkel muss weg" könnte, wenn die CDU auf Platz drei landet, schneller Realität werden als ihr lieb ist. Das macht ratlos. "All die Probleme, die die AfD plakatiert, treffen auf Mecklenburg-Vorpommern gar nicht zu", sagt Lorenz Caffier, der CDU-Spitzenkandidat klingt dabei verzagt. "Wir bauen Schulden ab, die Leute sind zufrieden, Jobs werden geschaffen, es gibt keinen Flüchtling, der nicht erfasst ist."
Auch die SPD hat kaum Reflexion, sondern eher Kritik im Repertoire – man arbeitet sich an Merkel ab. Den AfD-Wählern "gehe es ja eindeutig um die die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin", sagte der amtierende Ministerpräsident Erwin Sellering jetzt in einem Interview; dass sie stets den Eindruck erwecke, dass "alles, was sie vorgibt, das einzig Richtige" sei, provoziere die Menschen. Wieso die AfD-Marktschreierei auch seine Politik überstrahle, darauf wusste er keine Antwort – die SPD ist von 35 Prozent bei der letzten Wahl auf 28 Prozent geschrumpft.
Schwarz-rot-braun
Ratsam wäre es vielleicht, wenn man sich näher mit den Orten beschäftigen würde, in denen nicht nur Ewiggestrige rechts wählen, sondern alle, die unter fehlenden Jobs, mangelnder Infrastruktur, nicht existenten Ansprechpartnern leiden. In Torgelow etwa, nahe der polnischen Grenze, wo die NPD Hausmacht hat, setzt sich seit einiger Zeit der junge SPD-ler Patrick Dahlemann gegen die Rechten ein – mit großem Erfolg, auch beim Wähler. Als Parteichef Gabriel das mitbekam und fragte, was er für ihn tun könne, sagte Dahlemann: "Herkommen." Ein einfaches Rezept.
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