Regierungsverhandlungen in Rom gescheitert - Conte gibt auf

Designierter Premier verzichtet auf Mandat zur Regierungsbildung.

Hinter den Kulissen des römischen Polit-Theaters spielte sich am Wochenende ein beinhartes Machtspiel zwischen dem Staatspräsidenten und Lega-Chef Matteo Salvini ab. Keiner gab nach, die  Regierungsbildung ist drei Monate nach den Wahlen im Streit um den Posten des enorm wichtigen Wirtschaftsminister gescheitert. Damit sind Neuwahlen nur eine Frage  der Zeit.
Italiens designierter Premier Giuseppe Conte legte Sonntagabend den Regierungsauftrag zurück. Er habe maximalen Einsatz gezeigt, um eine Lösung zu finden, erklärte der 52-jährige Jurist im römischen Quirinalspalast. Staatspräsident Sergio Mattarella legte sein Veto gegen die Nominierung des eurokritischen Ökonomen Paolo Savona ein, den die rechtsextreme Lega unbedingt als Wirtschaftsminister durchbringen wollte. Auch die populistische Fünf-Sterne-Bewegung unterstützte ihn dabei.

Keine Alternative

Mattarella kritisierte am Abend vor der Presse offen die Unnachgiebigkeit der Parteien, eine Alternative zu Savona vorzuschlagen. Der 78-jährige Staatspräsident betonte, er habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Er hätte der vorgeschlagenen Ministerliste bis auf Savona komplett zugestimmt. Doch gerade auf dem Wirtschaftsressort liegt ein Hauptaugenmerk und eine besondere Verantwortung. Und der Präsident hat bei Minister-Ernennungen  das letzte Wort.
 Savona hatte den Euro als „deutsches Gefängnis“ für Italien, die drittgrößte Wirtschaftskraft der Eurozone bezeichnet – und damit die Gemüter nicht nur in Deutschland erregt. Savona bemühte sich Sonntagnachmittag noch vergeblich um eine Imagekorrektur: Er wolle sich für ein „anderes Europa“ einsetzen, das „stärker, aber gerechter“ sei, schrieb er in einer Erklärung. Er wolle sich für eine Stärkung der Kompetenzen der Europäischen Zentralbank einsetzen, damit es zu einer größeren Währungsstabilität und einem realen Wirtschaftswachstum kommen könne. Er bezog sich damit auf das von der rechtspopulistischen Lega und der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung ausgehandelte Regierungsprogramm. Darin verpflichten sie sich, Italiens Staatsschuld zu reduzieren, aber nicht mit der Erhöhung des Steuerdrucks und mit Sparpolitik, sondern mit der Förderung des Wirtschaftswachstums. Experten bezweifelten, dass das funktionieren könnte.

Respektlosigkeit

Salvini und Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio kümmerte das nicht – auch nicht die  Autorität des Präsidenten. Mit ihrem Verhalten beschworen sie eine institutionelle Krise herauf.  Salvini leistete sich einen besonderen Akt der Respektlosigkeit: Er gab schon auf Facebook live eine Art Pressekonferenz, während in Italien alle andere darauf warteten, dass Mattarella erklärend vor die Kameras tritt.
Der Staatspräsident  betonte dann, er werde die „Initiative“ ergreifen und  das weitere Vorgehen in „den nächsten Stunden“ entscheiden.   Offenbar bereitet er eine Übergangsregierung vor. Dafür spricht, dass er für heute den Ökonomen Carlo Cottarelli zu Gesprächen im Quirinal berief. Dieser hatte als Sparkommissar in der Regierung Renzi bereits versucht, den gigantischen Berg an Staatsschulden abzutragen.
Eine Expertenregierung könnte Italien bis zu Neuwahlen im Herbst führen. Denn auf das Land warten in den nächsten Wochen und Monate wichtige internationale Termine, wie die EU- und NATO-Gipfel in Brüssel und ein G7-Treffen.

Ergebnisse in Gefahr

Der Verbleib Italiens in der Euro-Zone sei ein Prinzip, an dem nicht gerüttelt werden könne, da es von „fundamentaler Bedeutung für Italien“ sei, betonte der Präsident.  Italien sei  Gründungsmitglied und Protagonist der EU.  Die Verteidigung der Verfassung und das Interesse der italienischen Gemeinschaft seien seine Priorität. Wegen der Ungewissheit um die politische Zukunft  seien italienische und ausländische Investoren alarmiert. Die Börse habe sehr negativ auf die politischen Entwicklungen reagiert. „Damit entstehen Risiken für die Ersparnisse der Familien“, zeigt sich Mattarella besorgt.
Salvini befand sich Sonntagabend bereits wieder im Wahlkampf: „Wir haben wochenlang Tag und Nacht gearbeitet, um eine Regierung zu bilden, die die Interessen der italienischen Bürger verteidigt. Aber jemand (unter Druck von wem?) hat uns NEIN gesagt.“ Die Italiener dürften nicht länger „Sklaven“ sein, Italien sei keine Kolonie. „Wir sind nicht die Sklaven der Deutschen oder Franzosen.“
 Fünf-Sterne-Chef Di Maio ließ  in einer Videobotschaft seinen Unmut erkennen: „Das Vorgehen  Mattarellas ist unverständlich. Die Wahrheit ist, dass sie die Fünf Sterne nicht in der Regierung haben wollen. Ich bin sehr verärgert.“ In Italien hätten nicht die Wähler das letzte Wort,  sondern  die Rating-Agenturen. Di Maio forderte gar ein Amtsenthebungsverfahren gegen Mattarella.

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