Regierungskrise in Italien: Lega und Berlusconi für Neuwahlen

Regierungskrise in Italien: Lega und Berlusconi für Neuwahlen
Sozialdemokraten und Fraktion um Außenminister Di Maio sprechen sich für Draghis Amtsverbleib aus. Rechtsparteien fürchten Neuwahlen im Herbst nicht.

In Italien haben die Koalitionspartner am Sonntag ihre Beratungen für eine mögliche Mehrheit der Regierung von Premier Mario Draghi fortgesetzt. Während die Sozialdemokraten und die Fraktion um Außenminister Luigi Di Maio sich klar für Draghis Amtsverbleib aussprechen, scheinen die Rechtsparteien Lega und Forza Italia Neuwahlen im Herbst nicht zu fürchten. Dagegen forderten mehr als tausend Bürgermeister Draghi in einer Petition zum Bleiben auf.

"Regierung muss weitermachen“

Draghi solle seinen Rücktritt überdenken und das Land durch die derzeit schwierigen Zeiten lenken, forderten die Stadtchefs. Unter den Unterzeichnern befinden sich auch die Bürgermeister der großen Städte Rom, Florenz und Venedig. "Die Regierung muss weitermachen“, fordern sie. Zugleich kritisieren sie das "unverantwortliche Verhalten“ der Fünf-Sterne-Bewegung, die mit ihren Forderungen die aktuelle Regierungskrise ausgelöst hatte. Sie verlangt weiterhin Zugeständnisse, damit sie in der Mehrparteienkoalition bleibt.

Forza Italia-Chef Silvio Berlusconi traf am Sonntag den Lega-Vorsitzenden Matteo Salvini auf Sardinien, wo sie die politische Lage besprachen. Der Zusammenhalt in der Mehrparteienkoalition um Premier Draghi sei in die Brüche gegangen, stellten die beiden Parteichefs fest. Jetzt gelte es, die Entwicklungen abzuwarten und sich in jedem Fall, auch kurzfristig, auf Neuwahlen vorzubereiten, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der beiden Parteichefs am Sonntagabend. Weiter mit der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung zu regieren, sei aufgrund ihrer "Inkompetenz und Unzuverlässigkeit“ ausgeschlossen.

Außenminister Di Maio warnte vor der Gefahr von Neuwahlen in Italien, sollte es zu keiner Einigung mit den Fünf Sternen kommen. "Wenn es so weitergeht wie bisher, wird Draghi am Mittwoch vor dem Parlament zurücktreten. Und zwischen Donnerstag und Freitag wird der Präsident der Republik, Sergio Mattarella, die Kammern auflösen“, sagte Di Maio. Die Gefahr sei, dass für Italien wichtige Reformen zum Stillstand kämen.

Reformen

"Auch wenn Ende September gewählt würde, bräuchte es drei Wochen, um die Parlamentskammern und mindestens weitere zwei Wochen, um die Regierung zu bilden“, warnte der frühere Chef der mitregierenden Fünf-Sterne-Bewegung. Laut Di Maio könnte das Land in der Zeit der Regierungsbildung keine Gesetze und auch kein Budget beschließen. Auch die wichtigen EU-Milliarden für den Corona-Wiederaufbaufonds stünden auf der Kippe. Italien muss dafür nämlich zunächst vorgegebene Ziele in Form von Reformen umsetzen.

Die Fünf Sterne, die am Donnerstag eine Regierungskrise ausgelöst hatten, nehmen sich Zeit, um eine Stellung über die Zukunft der Mehrparteienkoalition zu beziehen. Ein am Sonntag geplantes Treffen der Fünf Sterne-Parlamentarier zu Beratungen über die politischen Entwicklungen, wurde auf Montagnachmittag verschoben. In der Bewegung scheiden sich die Geister: Ein Flügel um Parteichef Giuseppe Conte drängt auf einen Austritt aus der Regierungskoalition, was zu Neuwahlen am 25. September oder am 2. Oktober führen würde. Ein gemäßigterer Flügel um den Minister für die Beziehungen zum Parlament, Federico D ́Incá, bemüht sich um einen Verbleib der „Cinque Stelle“ in der Koalition. Ein Regierungssturz würde den Reformprozess zum Stillstand bringen, argumentiert D'Incà.

Parteichef Conte fordert von Draghi Garantien, dass die Regierung politische Prioritäten der Bewegung wie einen Mindestlohn und den Erhalt des „Reddito di cittadinanza“, einer Art Grundeinkommen für Menschen unterhalb der Armutsgrenze, im kommenden Jahr durchsetzen werde. Conte verlangt die Umsetzung eines Neun-Punkte-Programms, das die Gruppierung dem Premier bereits vor einigen Wochen vorgelegt hatte, als Bedingung für ihren Verbleib in der Mehrparteienkoalition.

Laut einer Umfrage vom Samstag sind die Italiener mehrheitlich gegen vorgezogene Parlamentswahlen. Die römische Tageszeitung La Repubblica berichtete, dass sich 53 Prozent der Italiener gegen Neuwahlen im Herbst aussprechen. Laut der vom Meinungsforschungsinstitut Izi Spa durchgeführten Enquete sind 51 Prozent der Befragten für einen Amtsverbleib von Premier Mario Draghi mit einer anderen Koalition als der aktuellen.

Expertenregierung

55,5 Prozent sind der Meinung, dass im Fall eines Rücktritts Draghis eine Expertenregierung eingesetzt werden sollte, die Italien bis Ende der Legislatur im Frühjahr 2023 führen sollte. „Die Mehrheit der Italiener ist der Meinung, dass die Parteien nicht in der Lage sein werden, einen neuen Premier auf Draghis Niveau zu finden“, hieß es in dem Bericht.

Der Stichtag für die italienische Politik ist Mittwoch, wenn Draghi im Senat Bericht über die aktuelle Lage erstatten will. Es könnte mit ihm als Regierungschef weitergehen oder es kommt zu vorgezogenen Wahlen. Auslöser der politischen Krise war die Enthaltung der Fünf-Sterne-Bewegung bei einem Vertrauensvotum am Donnerstag im Senat.

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