Regieren mit einem Warlord im Nacken

Regieren mit einem Warlord im Nacken
Der Gouverneur der Provinz Herat über seinen „einfachen Job“, die Taliban und die Zukunft Afghanistans.

Ismail Khans Bild hängt gleich neben jenem von Präsident Hamid Karzai in Büros, Läden und Polizeistationen in Herat. Er war Komandant einer mächtigen Mudschaheddin-Einheit, Warlord und Gouverneur der Provinz. Und er ist weiterhin der inoffizielle Chef Herats, ein Macht-Broker, der seine Miliz 2004 auch gegen die afghanische Armee ins Feld schickte, um seine Felle zu retten. Und – so funktioniert afghanische Politik – Karzai machte ihn 2005 zum Minister für Energie und Wasser. Ein Posten, den er bis zuletzt inne hatte – während immer wieder Vorwürfe laut wurden, Ismail Khan rüste erneut seine Milizionäre gegen die Zentralregierung auf. Jetzt bewirbt sich Khan für das Amt des Vizepräsidenten bei den Wahlen im Frühjahr 2014.

Was die Verwaltung der westafghanischen Region Herat angeht, so gab es in den vergangenen Jahren große Fluktuation. Die Gouverneure werden vom Präsidenten eingesetzt. Der Gouverneursposten von Herat hat sich dabei oft als Schleudersitz erwiesen. Seit diesem Jahr hat ihn Alhaj Sayed Fazullah Wahidi aus der ostafghanischen Provinz Nangarhar inne. Sein Bild hängt nicht in Polizeistationen und Büros in Herat.

KURIER: Herat hat eine Geschichte mit Regionalgrößen. Sie selbst stammen aus Ostafghanistan, wurden von Präsident Karzai entsandt. Wie ist es, als quasi Fremder eine Provinz wie Herat zu regieren?

Alhaj Sayed Fazullah Wahidi: Es ist sehr einfach. Einfach, weil ich nicht in lokale Konflikte einbezogen bin. Ich bin mit keiner Partei hier verbunden, muss mich nicht mit internen Grabenkämpfen herumschlagen. Ich kann rein nach dem Gesetz regieren.

Worin sehen Sie die größte Herausforderung für die Provinz?

Wirtschaft. Armut. Mangel an Bildung. Und wir haben ein sehr geringes Budget für die Entwicklung der Region. Aber Afghanistan war vor zehn Jahren ein Land nach einem langen langen Krieg. Die Lage war miserabel. Heute sind wir ein demokratisches Land. Wir haben viel erreicht. Aber sehr langsam. Nicht schnell genug. Die Menschen wollen mehr sehen. Aber es ist sehr schwer, die Bedürfnisse zu decken. Es fehlt an Investitionen.

Liegt das vielleicht daran, dass Investoren fürchten, dass ethnische Konflikte jederzeit wieder aufbrechen können? Sehen Sie dieses Risiko?

Ja, dieses Risiko besteht. Aber wir arbeiten daran – durch das Militär, in dem alle Gruppen vertreten sind, und über die Reintegration von Aufständischen. Wir haben gute Gründe zur Hoffnung. Die Menschen sind des Krieges müde. Wir wollen ihn zu einem Ende bringen.

Aber was lässt sich verhandeln mit den Taliban?

Wissen Sie: Frieden kommt nicht mit dem Gewehr. Das geht nur über Gespräche.

Aber wo besteht Verhandlungsspielraum? Glauben Sie, dass die Taliban eines Tages eine gewählte Regierung anerkennen, die Verfassung achten oder bei Wahlen antreten werden?

Sehen Sie, es gibt zwei Typen von Taliban. Erstens: Die Afghanen, die erkennen den Staat prinzipiell an, das Recht, die Verfassung. Und dann gibt es jene, die von außen kommen, ausländische Kämpfer. Die sind völlig anders. Die werden wir finden und töten.

Bilder: Eindrücke aus Afghanistan

Kommentare