Reform-Berater Kiews: "Notwendig, mehr zu tun"

Petro Poroschenko – zuletzt gab es vermehrt laut geäußerte Zeifel an seinem Reformwillen.
Ein EU-Bericht stellt Finanzhilfen an Kiew in Frage – viel sei geschehen seit der Revolution, sagt dagegen ein Top-Berater der Regierung in Kiew.

Es ist ein Papier, das sich liest wie eine Anklage. Die Bekämpfung der Korruption in der Ukraine sei ins Stocken geraten, die Strafverfolgungsbehörden seien von der Regierung nicht unabhängig und der Einfluss von Oligarchen auf politische Entscheidungsprozesse enorm. Fazit eines gerade erst veröffentlichten Berichts des EU-Rechnungshofes: Finanzhilfen der EU hätten nur beschränkt Wirkung gezeigt. Empfohlen wird, den Druck zu erhöhen und im Zweifelsfall Zahlungen auszusetzen.

Wichtig anzumerken ist: Der Bericht behandelt EU-Zahlungen seit dem Jahr 2007 – also auch die Jahre unter dem gestürzten Präsidenten Janukowitsch, dem in dem Papier "begrenzter Reformeifer" bescheinigt wird. Nach der Maidan Revolution (2013/2014) habe es Fortschritte gegeben – aber die seien unbeständig. Die Zahlungen aber hätten zur Stabilisierung der Ukraine und zur Durchführung wichtiger Strukturreformen beigetragen.

Reform-Berater Kiews: "Notwendig, mehr zu tun"
epa03025133 Finance Ministers Ivan Miklos (L) of Slovakia and Dan Lazar of Romania attend the international conference 'Europe at Crossroads: Strategies for Competitiveness and Growth' at the Corvinus University in Budapest, Hungary, 05 December 2011. EPA/SZILARD KOSZTICSAK * HUNGARY OUT *
Ivan Miklos war von 1998 bis 2002 Vize-Finanzminister und zwischen 2002 und 2006 sowie 2010 bis 2012 Finanzminister sowie Vize-Premier der Slowakei. Heute ist er Wirtschaftsberater von Premier Wolodymyr Hrojsman in Kiew. Er zieht eine durchaus gemischte, im Kern aber positive Bilanz.

KURIER: Ist der Kampf gegen Korruption in der Ukraine an einer gläsernen Decke angelangt?

Ivan Miklos: Das denke ich nicht. Was nach der Maidan-Revolution passiert ist, ist mehr als in den 20 Jahren davor passiert ist. Es wäre möglich gewesen, mehr zu tun und es wird auch notwendig sein, mehr zu tun. Die Reformen sind viel mehr ein politisches Problem als ein technisches. Wenn wir aber ganz speziell über Korruption sprechen: Die wichtigste Neuerung ist die Antikorruptions-Gesetzgebung. Die ist gut. Die Implementierung ist eine Herausforderung. Die Justizreform ist auch ein Thema. Und es gibt neue Institutionen. Die Antikorruptionsbehörde. Aber der Prozess hat erst begonnen. Es gibt noch kaum Ergebnisse.

Sie würden also sagen, das Kabinett und die gesamte Führung stehen hinter Reformen?

Nein. Man kann aber schon sagen, dass die Regierung reformorientiert ist. Das Problem ist, dass nicht jeder einzelne Minister wirklich gewillt ist, Reformen umzusetzen. Aber Premier Groysmann hat die Deregulierung des Gaspreises umgesetzt. Oder die Öffentlichmachung von Ausgaben. Die Eigentums-Deklarationen für Angestellte des öffentlichen Dienstes. Das sind signifikante Errungenschaften. Nach wie vor ein großes Problem ist die Privatisierung. Es gibt rund 3500 staatliche Betriebe – rund 50 Prozent davon sind faktisch inoperativ. Das ist ein riesiger Korruptionssumpf und eine fiskale Bürde.

Hrojsman hat ausländische Reform-Minister (Wirtschaft und Finanzen) entlassen; Präsident Poroschenko selbst hat nach wie vor wichtige Firmenanteile – beides Dinge, die international kritisch kommentiert werden. Wie kam es dazu?

Es stimmt, diese beiden Minister fehlen. Aber ich denke auch, es ist normal, dass Ukrainer in der ukrainischen Regierung sitzen. Ausländer können Berater sein. Was Poroschenko angeht: Das ist eher eine politische Frage. Er selbst sagt, ja dass er seine Anteile einem Treuhand-Fonds übergeben hat.

Was ist das Problem in der Ukraine: Eine abgehobene politische Elite, oder ein Verwaltungsapparat, der sich schon in der Vergangenheit als reformresistent erwiesen hat?

Das größte Problem ist, dass Reformen nicht schnell und komplex genug durchgeführt werden – weil es an politischer Führung, Willen, Verantwortung mangelt. Also dem Verständnis, dass es Reformen braucht – und nicht Reformen, aufgrund äußeren Drucks.

Braucht die Ukraine Technokraten oder Politiker?

Ich denke Politiker. Reformen sind kein technisches Problem, was es braucht sind Politiker, die die Vision, den Willen und den Mut haben, Reformen durchzuführen. Starke Politiker, die das auch kommunizieren können.

Welche Rolle in diesem Reformprozess spielt die Langsamkeit der EU im Umgang mit der Ukraine?

Die europäische Perspektive an sich spielt eine große Rolle. Auch wenn sie nicht konkret und manchmal kaum sichtbar ist.

Handelt die schnell genug im Umgang mit Kiew?

Generell ist es wichtig, diese Unterstützung zu haben. Letztlich aber müssen die Ukrainer diese Reformen selbst umsetzen.

Wie sehen sie der Trump-Ära entgegen?

Da besteht Risiko, dass Trumps Administration weniger hilfreich sein kann. Der einzige Ausweg ist, die Reformen zu beschleunigen.

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