Faymann-Rücktritt als "Warnsignal" für Deutschland

Er geht, sie bleibt: Die CDU sieht keine Parallelen zwischen Faymann und Merkel.
In Berlin wird Kanzler-Rücktritt in Wien als mahnendes Beispiel für CDU und SPD gewertet – das erfreut die AfD.

Nein, seine wackelnde Politik in der Flüchtlingsfrage war es nicht, die ihn zu Fall gebracht hat: Sowohl Politik als auch Kommentatoren in Deutschland sind sich einig darüber, dass der Rücktritt Werner Faymanns tiefer liegende Gründe hat – und zwar solche, die auch CDU und SPD Sorgen bereiten sollten.

So wird etwa ein "manifester Überdruss an der überkommenen Politik" ausgemacht – der habe SPÖ und ÖVP klein gemacht; ein Szenario, das auch in Deutschland drohe, schreibt etwa der Tagesspiegel. Auch die Fokussierung auf Meinungsumfragen, der daraus resultierende Schlingerkurs und die Nähe zum Boulevard mache sich auf Dauer beim Wähler nicht bezahlt, urteilt auch die FAZ – etwas, was man in Deutschland gut von der SPD und ihrem Chef Sigmar Gabriel kennt. Die Süddeutsche sieht Österreichs Sozialdemokratie ohnehin als Vorbild für all jene Parteien in Europa, die mit Lust an ihrer Selbstabschaffung arbeiten – die SPD mit ihren 20 Prozent Wählergunst zählt hier wohl dazu.

"GroKo"-Problem

Die Politik selbst ist in ihrem Urteil nicht so kritisch – dort sieht man eher die Großen Koalition in Wien als die Schuldige. In Österreich habe sich durch die langjährige Zwei-Parteien-Regierung etwas entwickelt, "wovon die Leute auch genug hatten", sagte SPD-Generalsekretärin Katharina Barley. Die Große Koalition in Deutschland dürfe deshalb nicht zur "Dauerlösung" verkommen, heißt es auch beim Koalitionspartner. Für CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz, der sich als Einziger zu Österreich äußerte, ist Faymanns Fall defintiv kein Vorbild für Angela Merkel – er sei aber ein Warnsignal für die Große Koalition: In Wien habe es 19-mal SPÖ-ÖVP gegeben, in Deutschland sollte nach zwei Mal "GroKo" Schluss sein.

Eine andere Parallelität zwischen Österreich und Deutschland wird in der Politik aber eher kleingehalten: Dass der Niedergang der Großparteien vom Aufstieg einer rechtspopulistischen Partei begleitet wird, bereitet der SPD zwar "große Sorge", ernsthafte Selbstkritik wird daraus aber nicht abgeleitet.

"Blaues Wunder"

Bei den Rechtspopulisten selbst lösten die Ereignisse in Wien wenig überraschend Freude aus: "Sozialdemokratie in Österreich gescheitert. Zeit für ein blaues Wunder", twitterte AfD-Chefin Frauke Petry in Anspielung an die Parteifarben von FPÖ und AfD. Auch ihre Stellvertreterin Beatrix von Storch meinte: "Da kommt etwas ins Rollen, was auch Deutschland erfassen wird."

Davon, so sind sich die Kommentatoren wiederum einig, ist Deutschland noch ein Stück entfernt – eine Öffnung gegenüber AfD wird in keiner Bundestagspartei diskutiert. Was hierzulande aber ebenso drohe, sei eine Umwälzung der Parteienlandschaft: Laut dem neuesten Insa-Meinungstrend der Bildzeitung kommen die beiden Großparteien gemeinsam nur mehr auf genau 50 Prozent – sacken sie noch weiter ab, wäre Deutschland nur mehr in einer Anti-AfD-Koalition regierbar.

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