AfD-Vize beleidigt Boateng, Merkel nennt es "niederträchtig"
Die angebliche Beleidigung des deutschen Fußball-Nationalspielers Jerome Boateng durch den stellvertretenden AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland hat in Deutschland für Empörung gesorgt. Laut einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sagte der Politiker, "die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben".
Bereits am Sonntagabend hatte DFB-Präsident Reinhard Grindel erklärt, es sei "einfach geschmacklos", die Popularität Boatengs und der Nationalmannschaft "für politische Parolen zu missbrauchen". Politiker von SPD und CDU kritisierten die Aussage scharf.
In einem Gespräch mit KURIER.at erklärte die Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak, dass Rechtspopulisten auf eine altbewährte Masche zurückgreifen: Provozieren, beschwichtigen, Opfer-Täter-Umkehr. Der AfD-Vorfall scheint ein gutes Beispiel für das "Perpetuum Mobile des Rechtspopulismus" zu sein.
AfD-Chefin entschuldigt sich
Parteichefin Frauke Petry bemühte sich am Sonntag um Schadensbegrenzung. Gauland könne sich "nicht erinnern, ob er diese Äußerung getätigt hat", sagte Petry der Bild-Zeitung. "Ich entschuldige mich unabhängig davon bei Herrn Boateng für den Eindruck, der entstanden ist."
Gauland: "Ich kenne ihn nicht"
Gauland selbst erklärte am Sonntag: "Ich habe nie (...) Herrn Boateng beleidigt. Ich kenne ihn nicht und käme daher auch nicht auf die Idee, ihn als Persönlichkeit abzuwerten." Er habe in einem vertraulichen Hintergrundgespräch mit Redakteuren der FAS die Einstellung "mancher Menschen" beschrieben, "aber mich an keiner Stelle über Herrn Boateng geäußert, dessen gelungene Integration und christliches Glaubensbekenntnis mir aus Berichten über ihn bekannt sind". "die Einstellung mancher Menschen beschrieben, aber mich an keiner Stelle über Herrn Boateng geäußert, dessen gelungene Integration und christliches Glaubensbekenntnis mir aus Berichten über ihn bekannt sind".
Gauland beklagte einen Vertrauensbruch durch die FAS. Die Redakteure hätten sich "nicht an die Abmachungen gehalten" und ihm vor der Veröffentlichung auch keine Zitate zur Autorisierung vorgelegt, kritisierte Gauland. Im Mittelpunkt des Gespräches hatten nach Angaben des AfD-Vize Auseinandersetzungen im Bundesvorstand seiner Partei "sowie der ungebremste Zustrom raum- und kulturfremder Menschen nach Deutschland" gestanden. Er könne nicht mehr sagen, wer zuerst den Namen Boateng genannt habe - "ich bilde mir ein, es war einer der beiden FAZ-Redakteure, da mir der Name wie auch der Fußballsport weitgehend fremd sind".
"Dabei mag das Zitat gefallen sein", fügte Gauland hinzu. Er habe dem aber "keine Bedeutung beigemessen, da das Gespräch nicht zur Veröffentlichung bestimmt war".
Boateng reagiert gelassen
Und der Betroffene selbst? Er könne darüber nur lächeln, sagte Boateng am Sonntagabend in der ARD. Es sei traurig, "dass so etwas heute noch vorkommt", sagte der Nationalspieler nach dem Fußball-Länderspiel gegen die Slowakei. "Ich glaube, heute waren auch genug positive Antworten im Stadion. Ich habe ein paar Plakate gesehen", fügte er hinzu. Im Stadion in Augsburg hatte es Sympathiebekundungen für Boateng gegeben.
Topthema im Internet
Im Internet ist Gaulands Ausfall gegen den schwarzen Boateng Topthema. Tausende solidarisieren sich mit dem 27-jährigen Verteidiger von Bayern München, der ein waschechter Berliner Jung aus dem Wedding ist. Boatengs Schalker Nationalmannschaftskollege Benedikt Höwedes twittert: "Wenn du für Deutschland Titel gewinnen willst, brauchst du Nachbarn wie ihn.
Und der frühere Bundesliga-Profi Hans Sarpei, ebenfalls mit ghanesischen Wurzeln, meint: "Jerome Boateng hat bisher 57x für die Nationalmannschaft gespielt. Damit hat er 57x mehr für Deutschland getan als die AFD."
DFB: Fremdenfeindlichkeit kein Neuland
Andere Twitter-Nutzer forderten spontan DFB-Coach Jogi Löw auf, Boateng bei dem für Sonntagabend angesetzten EM-Testspiel gegen die Slowakei als Mannschaftskapitän auflaufen zu lassen. Beim DFB sind sie über Gauland und die AfD empört. Es sei geschmacklos, die Popularität Boatengs und der Nationalmannschaft "für politische Parolen zu missbrauchen", sagt DFB-Präsident Reinhard Grindel.
Für den Verband sind fremdenfeindliche Anwürfe gegen die Nationalelf kein Neuland. So verteilte die rechtsradikale NPD 2006 vor der deutschen Heim-WM einen Spielplan mit ausländerfeindlichen Sprüchen. Der DFB ließ den WM-Planer damals - auch im Namen des schwarzen Nationalspielers Patrick Owomoyela - per Gerichtsbeschluss verbieten.
In Frankreich hetzt die von der Le-Pen-Familie dominierte rechtsextreme Partei Front National regelmäßig gegen die "Equipe tricolore", weil viele französische Kicker einen Einwanderungshintergrund haben.
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