Britische Helfer festgenommen, Russland stellt Bodenangriffe ein

Aftermath of shelling in Kyiv
Die Ukraine hofft auf die baldige Evakuierung des Stahlwerkes in Mariupol.

Tag 64 nach dem russischen Angriff auf die Ukraine: 

Die russischen Streitkräfte haben nach Angaben einer britischen Hilfsorganisation zwei ihrer freiwilligen Helfer in der Ukraine gefangen genommen. Die Organisation Presidium Network teilte mit, die beiden Briten seien am Montag an einem Kotrollposten südlich von Saporischschja festgenommen worden.

"Das Außenministerium tut alles in seiner Macht stehende um die beiden Personen zu unterstützen und zu ermitteln“, sagte die britische Handelsministerin Anne-Marie Trevelyan gegenüber Sky News.

Laut der Organisation verteilten die beiden Männer, beides Zivilisten, im Rahmen eines humanitären Hilfsprojektes in der Ukraine Lebensmittel und Medikamente und halfen bei Evakuierungen.

Die russischen Streitkräfte stellten unterdessen nach ukrainischen Angaben ihre Bodenangriffe im Osten der Ukraine in der Nacht auf Freitag vorläufig ein.

Evakuierung aus Stahlwerk

Die Ukraine hofft auf eine Rettung von Zivilpersonen aus dem Stahlwerk Asowstal in Mariupol. "Heute ist eine Operation geplant, um die Zivilpersonen aus dem Werk zu bekommen", erklärt das Präsidialamt in Kiew.

Der russische Präsident Wladimir Putin verlangt von den im Stahlwerk verschanzten ukrainischen Kämpfern, die Waffen niederzulegen. "Die Zivilisten können gehen und zwar in jede Richtung, die Militärs müssen rauskommen und ihre Waffen niederlegen", meinte Kremlsprecher Dmitri Peskow gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur TASS. Ihnen werde das Leben und medizinische Versorgung garantiert. Mehr aber nicht, hieß es.

Britische Helfer festgenommen, Russland stellt Bodenangriffe ein

Zuvor war bei einem russischen Angriff auf das Stahlwerk das dort eingerichtete Feldlazarett unter schweren Beschuss geraten. Nach einem Bericht der Ukrajinska Prawda kam dabei am Donnerstagabend mindestens ein Soldat ums Leben, rund 100 Patienten erlitten weitere Verletzungen.

Nach Darstellung der Verteidiger sei das Lazarett, in dem sich rund 500 Verwundete und Ärzte aufhielten, gezielt angegriffen worden. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.

Grenzübergang angegriffen

An der Grenze zwischen der Ukraine und Russland wurde unterdessen nach russischen Angaben ein Grenzübergang von ukrainischer Seite aus angegriffen. "Gegen 8:00 Uhr (7:00 Uhr MESZ) wurde in der Ortschaft Krupez der Grenzübergang mit Granatwerfern beschossen", teilte der Gouverneur der westrussischen Region Kursk, Roman Starowoit, am Freitag in seinem Telegram-Kanal mit.

Demnach gab es weder Schäden noch Verletzte. Die russischen Grenztruppen hätten das Feuer erwidert und den Beschuss damit gestoppt.

Bodenangriffe im Osten ruhen

Die russischen Streitkräfte stellten nach ukrainischen Angaben ihre Bodenangriffe im Osten der Ukraine in der Nacht auf Freitag vorläufig ein. "In Richtung Isjum hat (der Feind) keine aktiven Angriffshandlungen durchgeführt", teilte der ukrainische Generalstab am Vormittag in seinem Lagebericht mit. Die russischen Kräfte beschränkten ihre Aktivitäten demnach auf Aufklärung und Artilleriebeschuss. Die Gegend um Isjum im Gebiet Charkiw war in den vergangenen Tagen die Hauptstoßrichtung der russischen Truppen. Durch den Vorstoß nach Süden sollten die ukrainischen Kräfte im Donbassgebiet eingekesselt werden.

Die russischen Geländegewinne in der Donbass-Region sind nach Erkenntnissen britischer Geheimdienstexperten angesichts heftiger ukrainischer Gegenwehr beschränkt und mit hohen Verlusten verbunden. Das teilte das Verteidigungsministerium in London am Freitag mit.

Besonders heftig seien die Kämpfe um die Städte Lyssytschansk und Sjewjerodonezk mit einem versuchten Vorstoß von Isjum in Richtung Süden Richtung Slowjansk.

Die Schlacht um die Donbass-Region bleibe weiterhin der strategische Fokus Russlands, um das ausgegebene Ziel der Kontrolle über die Verwaltungsbezirke Donezk und Luhansk zu erreichen, hieß es in der Mitteilung weiter.
 

Raketen auf Kiew während Guterres-Besuch

Russland bestätigte am Freitag Angriffe auf Kiew, während sich UNO-Generalsekretär Antonio Guterres in der ukrainischen Hauptstadt aufhielt. Guterres bemüht sich um die Evakuierung des von russischen Truppen eingeschlossenen Stahlwerks in Mariupol.

Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, sagte am Freitag in Moskau, Hochpräzisionsraketen mit großer Reichweite hätten Fabrikgebäude des ukrainischen Raketenherstellers "Artem" getroffen. Den genauen Zeitpunkt der russischen Angriffe nannte er nicht.

Ukrainischen Angaben zufolge ereigneten sich die Angriffe am Donnerstagabend, als Guterres noch in der Stadt war. Dabei sei auch ein Wohnhaus getroffen worden.

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko berichtete am Freitag, dass aus den Trümmern eine Leiche geborgen worden sei. Zudem seien zehn Menschen verletzt worden. Guterres sagte dem britischen Sender BBC: "Ich war geschockt zu hören, dass in der Stadt, in der ich mich aufhalte, zwei Raketen explodiert sind."

Britische Helfer festgenommen, Russland stellt Bodenangriffe ein

Raketen auf Odessa

Die südukrainische Hafenstadt Odessa ist am Donnerstagabend unter Raketenbeschuss geraten. Dabei habe die Luftabwehr drei russische Raketen abgeschossen, sagte der örtliche Militärvertreter Maxim Martschenko. "Wir haben den Himmel unter Kontrolle."

Zuvor sei bereits eine russische Aufklärungsdrohne zerstört worden. In der Stadt seien am Abend jedoch mehrere Explosionen zu hören gewesen, berichtete unter anderem die Ukrajinska Prawda.

Britische Helfer festgenommen, Russland stellt Bodenangriffe ein

Russifizierung von Cherson wird nicht klappen

Russische Pläne zur Festigung der Kontrolle über die besetzte Region Cherson im Süden der Ukraine sind nach Meinung der ukrainischen Führung zum Scheitern verurteilt. Der Sekretär des ukrainischen Sicherheitsrates, Olexij Danilow, bezeichnete das von russischer Seite geplante Referendum in Cherson als "juristisch und international bedeutungslos".

Die Volksabstimmung, mit der die russischen Besatzer eine "Volksrepublik Cherson" ausrufen lassen wollten, sei ein "Klassiker", mit der Russland seine Aktionen legalisieren wolle. Auch die Einführung des russischen Rubels als Zahlungsmittel in den besetzten Gebieten sei "klassische russische Praxis", sagte Danilow nach Angaben der Agentur Unian in der Nacht auf Freitag.

Auch diese Bemühungen der russischen Seite würden nicht zum Erfolg führen. "Sie werden zwar einige Zeit versuchen, eine Währung oder Pseudo-Währung für diese Gebiete einzuführen", so Danilow. Doch angesichts des zu erwartenden Widerstands der Bürger werde diese "sehr kurzlebig" sein.

Russische Truppen hatten die Hafenstadt Cherson und das Umland Anfang März besetzt. Nach Dafürhalten der ukrainischen Führung wollen die russischen Besatzungstruppen dort in nächster Zeit ein Referendum über die Ausrufung eines "Volksrepublik Cherson" organisieren, nach dem Vorbild der abtrünnigen Gebiete Donez und Luhansk. Damit möchte Moskau seine Gebietseroberungen im Süden der Ukraine dauerhaft festigen.

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