Dem US-Präsidenten kommt dabei eine spezielle Rolle zu: In der Erzählung der Anhänger ist er eine Art Erlöser, entsandt, um eine scheinbar vorhandene Elite aus demokratischer Partei, Banken, Medien und Prominenten zu bekämpfen, die heimlich über die USA herrsche. Dazu zählen sie die Ex-Präsidenten Bill Clinton und Barack Obama, den Milliardär George Soros sowie Hollywoodstars. Zudem wird behauptet, dass sie Kinder gefangen halten, um aus ihnen ein Verjüngungsserum zu gewinnen.
Verbreitet wurde diese Erzählung erstmals 2017 auf dem Internetportal 4Chan von einem Nutzer, der sich „Q Clearance Patriot“, dann „Q“, nannte. Um ihn hat sich die Legende gesponnen, dass er Geheimdienstmitarbeiter wäre und er daher all diese Informationen hätte.
Soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter haben mittlerweile Gruppen, Accounts und Anzeigen mit Verbindungen zu QAnon entfernt. Nur der US-Präsident distanzierte sich nicht: „Wie ich es verstehe, mögen sie mich sehr, was ich zu schätzen weiß“, sagte er auf einer Pressekonferenz im Weißen Haus. Er wisse zwar nicht viel über die Bewegung, habe aber gehört, dass sie an Popularität gewinne.
Offline trat sie zunehmend bei den Corona-Protesten auf – in den USA und bei den Demonstrationen in Stuttgart und Berlin. Über Mitgliederzahlen lässt sich nicht viel sagen, da es ein loser Verband ist. Auf YouTube haben die deutschen Q-Anhänger einen Kanal mit 105.000 Abonnenten – und prominente Verbreiter wie Sänger Xavier Naidoo.
Die deutsche Politik ist indessen mit der Aufarbeitung der Ereignisse in Berlin und an anderen Orten beschäftigt. Im nordrhein-westfälischen Bergisch Gladbach und Bottrop bereiteten Demonstranten Gesundheitsminister Jens Spahn, der für eine Wahlkampfveranstaltung vor Ort war, einen Empfang mit Pfiffen, Beschimpfungen und Hau-Ab-Rufen. Spahn, der auf die Menge zuging und das Gespräch suchte, wurde nach eigenen Angaben bespuckt.
Es sind Szenen, die an Versammlungen der islamfeindlichen Pegida-Bewegung erinnern, wo sich immer mehr Rechtsextreme unter „Wutbürger“ mischten. Vor einer ähnlichen Entwicklung warnt auch der Verfassungsschutz bzw. konnte diese Tendenz in Berlin nachweisen: Sowohl bei der Mobilisierung als auch bei den Demos habe man Vertreter verschiedenster Bereiche des Rechtsextremismus gesehen, sagte Behördenchef Thomas Haldenwang am Dienstag. Vor allem an den spontanen Aktionen, wie dem versuchten Sturm des Reichstages, haben relativ viele Anhänger der Reichsbürger-Ideologie teilgenommen. „Wir beobachten genau, ob die Gefahr einer rechtsextremistischen Vereinnahmung eine noch größere Dimension annimmt und es diesen Akteuren gelingt, eine Anschlussfähigkeit herzustellen.“
Jene Frau, die am Samstag in Berlin Trump gesehen haben wollte und aufrief, das Parlament einzunehmen, ist mittlerweile ausfindig gemacht: eine Heilpraktikerin aus der Eifel, die der Reichsbürger-Szene zugeordnet wird. Die Polizei ermittel wegen Landfriedensbruchs.
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