Putins Umbau im Machtzirkel könnte zum Eigentor werden

Hat Russland die Minenstadt Soledar nun eingenommen oder nicht?
Wagner-Chef Jewgenij Prigoschin behauptete: Seine Truppen hätten die Stadt erobert – und zwar ohne Armee. Das Verteidigungsministerium in Moskau dementierte zunächst, reklamierte die Stadt erst Tage später für sich.
Die sich widersprechenden Antworten zeigen deutlich: Der Machtkampf in Putins Umfeld wird intensiver. Prigoschin, dessen Söldner in der Ukraine ohne Koordinierung mit der Armee kämpfen, ist auf dem Schlachtfeld als auch medial zu einem der wichtigsten Akteure des Krieges avanciert. Zu einem zu wichtigen, sagen Beobachter: Er agiert eigenmächtig, spart nicht mit Kritik am Verteidigungsministerium und setzt so den Kreml unter Druck.
Dies ist laut Experten auch der Grund, warum Putin jetzt die Kommandostruktur geändert hat. Mit der Abberufung von Sergej Surowokin als Kommandeur in der Ukraine hat er Prigoschin einen Verbündeten genommen – das ist auch ein Signal an alle kremlkritischen Hardliner, die immer lauter wurden.
Eigentor
Die öffentliche Demütigung durch Putin hat wie so oft keine militärischen Gründe, sondern innenpolitische; Surowikin galt nämlich als guter Kommandeur. Ihn unterschied aber eines von seinem Nachfolger, Generalstabschef Walerij Gerasimow: Er soll Putin sehr realitätsgetreu von den Vorgängen am Schlachtfeld unterrichtet haben. Gerasimow, ein Apparatschik sowjetischen Zuschnitts, serviere ihm „leichter verdauliche“ Versionen.
Dass Putin sich erzählen lässt, was er gerne sähe, ist keine neue Entwicklung. Diese freiwillige Realitätsblindheit soll auch für die verpatzte Einnahme Kiews verantwortlich sein. Beobachter bezweifeln deshalb, dass Gerasimow die Risse im Kreml-Umfeld kitten wird – im Gegenteil: Ihm wird nämlich nicht zugetraut, in der Ukraine große Erfolge einzufahren: „Ich weiß nicht, was für die russische Armee gefährlicher ist – die Lieferung von Panzern an die Ukraine oder Gerasimow an der Spitze von Putins Truppe“, witzelt der russische Militärexperte Jan Matweew auf Twitter.
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