Nach nur 1,5 Stunden: Gespräche zwischen Ukraine und Russland beendet

Ukrainian and Russian delegations in Turkey for planned peace talks
Die beiden Delegationen kamen erstmals seit drei Jahren zu Verhandlungen zusammen. Nach 1,5 Stunden waren diese schon wieder beendet. Die Forderungen seien unrealistisch.
  • Die Gespräche zwischen Ukraine und Russland in Istanbul dauerten 1,5 Stunden und endeten ohne Durchbruch.
  • Russlands Forderungen wurden von der Ukraine als unrealistisch und nicht konstruktiv bezeichnet.
  • Die USA und hochrangige Vertreter anderer Länder wurden in die Gespräche nicht direkt einbezogen.

Die Gespräche zwischen ukrainischen und russischen Vertretern in Istanbul sind beendet. Die unter türkischer Vermittlung geführten Verhandlungen über ein mögliches Ende des Ukraine-Kriegs dauerten laut dem türkischen Außenministerium rund eineinhalb Stunden

Aus ukrainischen Verhandlungskreisen verlautete, die Forderungen Russlands bei den Gesprächen seien unrealistisch und gingen weit über alles bisher Besprochene hinaus.

"Inakzeptable und nicht konstruktive Bedingungen"

Die Forderungen aus Moskau "beinhalten Ultimaten, dass die Ukraine sich von ihrem eigenen Territorium zurückzieht, um eine Waffenruhe zu erreichen, sowie weitere inakzeptable und nicht konstruktive Bedingungen", sagt ein Insider aus dem Umfeld der ukrainischen Delegation der Nachrichtenagentur Reuters. "Die Ukraine ist bereit für eine echte Waffenruhe und einen weiteren authentischen Friedensprozess ohne Vorbedingungen", fügt er hinzu. 

Es waren die ersten direkten Gespräche der Kriegsparteien seit 2022. An den Gesprächen nahmen auch der türkische Außenminister Hakan Fidan und der Leiter des türkischen Geheimdienstes MIT, Ibrahim Kalin, teil. Zuvor hatte die Ukraine mit den USA und der Türkei beraten. Laut ukrainischen Angaben gab es zudem hochrangige Beratungen mit Frankreich, Großbritannien und Deutschland.

Für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij hatte nach eigenen Worten eine bedingungslose Waffenruhe oberste Priorität bei Gesprächen. Eine Waffenruhe sei Grundlage für künftige Friedensverhandlungen, sagte Selenskij bei einem Treffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft in der albanischen Hauptstadt Tirana. "Und wenn die russischen Vertreter in Istanbul heute nicht einmal einer Waffenruhe zustimmen können, dann wird zu 100 Prozent klar sein, dass Putin die Diplomatie weiterhin untergräbt", fügte er mit Verweis auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin hinzu.

Ukraine: "Russen versuchen Amerikaner loszuwerden"

Die Ukraine hat Russland vorgeworfen, eine Teilnahme der USA an den ersten direkten Gesprächen beider Kriegsparteien seit drei Jahren verhindern zu wollen. "Die Russen versuchen mit allen Mitteln, die Amerikaner loszuwerden", sagte ein Regierungsmitarbeiter am Freitag. Vielleicht wollten die Russen nicht, "dass eine dritte Partei miterlebt, wie der Prozess gestört wird", spekulierte der ukrainische Vertreter - und erhob damit den Vorwurf, dass die russische Seite Fortschritte in den Gesprächen blockieren könnte.

Zuvor beriet die Ukraine mit den USA und der Türkei. Laut ukrainischen Angaben gab es zudem hochrangige Beratungen mit Frankreich, Großbritannien und Deutschland.

Kein Treffen der Staatschefs

Die ukrainische Delegation wurde von Verteidigungsminister Rustem Umerow geleitet. Er wurde von Präsident Wolodymyr Selenskij zum Chef der Abordnung ernannt, nachdem klar wurde, dass es keine direkten Gespräche auf Ebene der Staatschefs geben wird. Die Ukraine wollte vor allem über eine Waffenruhe verhandeln

Selenskij hatte sich am Donnerstag in Ankara aufgehalten, um gegebenenfalls nach Istanbul weiterzureisen, falls auch Putin in die Bosporus-Metropole gekommen wäre. Der russische Präsident blieb dem Treffen aber fern. Die beiden Kriegsparteien wurden durch rangniedrigere Delegationen vertreten.

Was Putin von der Ukraine fordert

Die Gespräche hätten eigentlich am Donnerstag stattfinden sollen. Im Laufe des Tages verlauteten verschiedene Quellen, dass sie auf Freitag vertagt wurden. Russland hatte vor den Gesprächen gesagt, man wolle ohne Vorbedingungen verhandeln. Von seinen Maximalforderungen ist Moskau bisher aber nicht abgerückt. 

So soll die Ukraine aus Moskauer Sicht auf die seit 2014 annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim und ihre teils besetzten Gebiete, Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson sowie auf einen NATO-Betritt verzichten.

US-Außenminister Rubio: "Haben keine hohen Erwartungen"

Ob es ein Vierertreffen im Format USA, Russland, Ukraine, Türkei geben werde, sei noch nicht entschieden. Die US-Delegation werde von Außenminister Marco Rubio angeführt, der aber im Vorfeld die Erwartungen dämpfte. "Wir haben keine hohen Erwartungen daran, was morgen passieren wird", sagte Rubio am Donnerstagabend im türkischen Antalya.

Er glaube nicht, dass es einen Durchbruch in den Gesprächen über eine Waffenruhe in der Ukraine geben werde, bis US-Präsident Donald Trump und der russische Staatschef Putin sich "Angesicht zu Angesicht gegenüber sitzen", fügte er hinzu.

Familie wichtiger: Trump reiste nicht zum Ukraine-Treffen

Trump will nach eigenen Angaben nicht von seinem Nahost-Besuch aus zu den Ukraine-Gesprächen in die Türkei reisen. Trump sagte bei einer Veranstaltung in den Vereinigten Arabischen Emiraten, seine Tochter Tiffany habe gerade ein Baby zur Welt gebracht und er wolle seinen Enkel möglichst schnell sehen. Er freue sich deshalb darauf, direkt nach Washington zurückzukehren. "Wahrscheinlich hätte ich gestern Abend schon abreisen sollen", sagte er weiter.

Er habe aber seine Gastgeber in Abu Dhabi nicht enttäuschen wollen, so Trump. Zuvor hatte er sich explizit offen gehalten, von der Golfregion kurzfristig noch zu den in der Türkei geführten Gesprächen über Wege zur Beendigung des russischen Kriegs gegen die Ukraine zu fliegen. Er argumentierte, in den Friedensbemühungen werde es keine echte Bewegung geben, bis er sich persönlich mit Kremlchef Wladimir Putin zusammensetze.

Kreml bremst Erwartungen zu Putin-Trump-Treffen

Auf die Frage, wann er nun plane, Putin zu treffen, sagte Trump: "Sobald wir das ansetzen können." Er wolle das Töten in dem Krieg beenden, betonte der 78-Jährige und sagte: "Wir werden das hinbekommen."

Der Kreml hat Erwartungen an ein baldiges Treffen zwischen Putin und Trump gedämpft. So ein Treffen sei zweifellos nötig, stimmte Kremlsprecher Dmitri Peskow dem von Trump bei seiner Nahostreise geäußerten Wunsch nach einer Begegnung russischen Agenturen zufolge zu. "Doch ein Treffen auf höchster Ebene muss vorbereitet und resultativ sein", schränkte er zugleich ein.

Ukraine noch immer bereit für Gespräche mit Putin

Selenskij ist nach eigenen Worten jedoch nach wie vor zu direkten Gesprächen mit Putin bereit. "Ich bin hier, wir sind bereit für direkte Verhandlungen", erklärte Selenskyj nach einem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Erdogan am Donnerstag in Ankara.

Selenskij bedauerte angesichts der Zusammensetzung der russischen Delegation, die am Abend mit der ukrainischen Seite in Istanbul verhandeln sollte, die Russen würden die Gespräche "leider nicht ernst genug" nehmen. Zuvor hatte Selenskyj erklärt, bei den russischen Vertretern handle es sich um eine "Schein"-Delegation mit unklarem Mandat. 

Selenskij hatte die Anwesenheit von Kremlchef Wladimir Putin mehrfach gefordert. Der russische Präsident ignorierte die Aufforderung. Chefunterhändler Medinski gilt als politisches Leichtgewicht und war auch an den ergebnislosen Verhandlungen 2022 kurz nach Kriegsbeginn beteiligt.

Russland: Qualifiziertesten Fachleute bei Verhandlungen

Das russische Außenministerium wies die Kritik zurück, dass Moskau lediglich die zweite Reihe zu Friedensverhandlungen in die Türkei geschickt habe. Es seien die qualifiziertesten Fachleute gekommen, sagte Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa der staatlichen russischen Nachrichtenagentur TASS zufolge. Diese Experten seien bereit und kompetent für die Gespräche über alle Themen: "Internationales Recht - bitte, die Situation am Boden - bitte, Fragen der Kampfhandlungen - bitte", führte sie aus.

Die russische Delegation in Istanbul wird von Präsidentenberater Wladimir Medinski geleitet, einem ehemaligen Kulturminister, der die Überarbeitung von Geschichtsbüchern überwacht hat, um Moskaus Darstellung des Krieges widerzuspiegeln. Zu seinem Team gehören ein stellvertretender Verteidigungsminister, ein stellvertretender Außenminister und der Leiter des Militärgeheimdienstes. Wichtige Mitglieder, darunter Medinski, waren an den Gesprächen 2022 beteiligt, was darauf hindeutet, dass Moskau dort fortfahren möchte, wo man aufgehört hat.

Lawrow: Ukraine wird ohne Vereinbarung "immer kleiner"

Russland betonte, seine Delegation sei in Istanbul und bereit für ernsthafte Arbeit. Der Ukraine wurde vorgeworfen, "eine Show um die Verhandlungen zu inszenieren". Auf die Frage, ob Putin zu einem späteren Zeitpunkt an den Gesprächen teilnehmen würde, antwortete Kremlsprecher Dmitri Peskow: "Welche Art von Beteiligung weiter erforderlich sein wird, auf welcher Ebene, ist jetzt zu früh zu sagen ... Die russische Delegation ist bereit und wartet in Istanbul."

Zugleich gab Russland bekannt, seine Streitkräfte hätten zwei weitere Siedlungen in der ostukrainischen Region Donezk eingenommen. Eine Sprecherin des russischen Außenministers Sergej Lawrow erinnerte Reporter an dessen frühere Äußerung, dass die Ukraine "ohne eine Vereinbarung zur Beendigung der Kämpfe kleiner werde".

Russland und Ukraine haben Interesse an Ende "des dummen Krieges"

Die Kriegsparteien ringen seit Monaten um die Art von Waffenruhen und Friedensgesprächen und versuchen, Trump zu demonstrieren, dass sie ernsthaft daran interessiert sind, das zu beenden, was er "diesen dummen Krieg" nennt. Die Regierung in Washington hat wiederholt gedroht, ihre Vermittlungsbemühungen einzustellen, wenn es keine klaren Fortschritte gibt. Trump, der häufig auch Selenskij kritisiert hatte, äußerte zuletzt vor allem über Putin seinen Unmut.

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